Süddeutsche Zeitung

Friedberg:Es schimmelt im Archiv

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Ein Zehntel der alten Schriften im Stadtarchiv im schwäbischen Friedberg ist betroffen. Archivar Matthias Lutz will die Dokumente retten - der Aufwand dafür ist groß.

Interview von Florian Fuchs, Friedberg

Das Archiv der schwäbischen Stadt Friedberg (Landkreis Aichach-Friedberg) hat ein Schimmel-Problem: Teile der alten Schriften, die bis ins Jahr 1645 zurückgehen, sind mikrobiell befallen, darunter Kernbestände der Stadtgeschichte, Stadtkammerrechnungen und Ratsprotokolle. Archivar Matthias Lutz kümmert sich um die Sanierung der befallenen Schriftstücke, für die die "Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts" aus Berlin gerade eine finanzielle Unterstützung zugesagt hat. Denn Wegwerfen kommt nicht in Frage.

SZ: Herr Lutz, wie kam es zu dem Schimmelbefall?

Matthias Lutz: Das Archivgut war früher in verschiedenen Gebäuden untergebracht, teilweise in Dachstühlen, und einfach nicht richtig gelagert. Wir sprechen von einem mikrobiellen Alt-Befall, der Schimmel ist also nicht aktiv, kann aber bei falscher Lagerung wieder aktiv werden. Wir haben die betroffenen Teile in einem eigenen Raum untergebracht, sozusagen in Quarantäne, und machen uns daran, das nach und nach zu reinigen.

Man kann die alten Schriften also auf jeden Fall retten?

Ja, der Schaden ist zu reparieren. Unser Archiv umfasst 700 laufende Meter, etwa ein Zehntel davon ist betroffen. Es geht aber um keine Restaurierung, dass alles aussieht wie neu. Es soll einfach keine Gesundheitsgefahr für Nutzer bestehen und keine Gefahr für die Objekte, dass die Schriften also noch weiter Schaden nehmen.

Wie sehen denn die Schäden aus?

Das ist unterschiedlich. Es gibt Bücher aus dem 17. Jahrhundert, da erkennt man gar nichts, nur ein Fachmann sieht die Altschimmelsporen. Und es gibt andere Objekte, da fühlt sich das Pergament schwammig an, teilweise ist es brüchig. Stellenweise sieht man Verfärbungen vom Farbspektrum eines Regenbogens, auf anderen Seiten sieht es aus wie Staub, wie Reste, wenn man mit einem Papiergummi gerubbelt hat. Bei manchen Büchern würde der Laie sagen: Schmeißt den alten Schinken doch weg.

Aber das wollen Sie ja nicht.

Genau, denn darunter sind zentrale Überlieferungen der Stadt. Wir können so die Stadtentwicklung und Sozialgeschichte nachvollziehen, wir sehen, für wen und was im 17. und 18. Jahrhundert Geld ausgegeben wurde. Solche Schriften, Ratsprotokolle und Stadtkammerrechnungen, die besonders bedeutenden Schriften also, retten wir als Erstes.

Und wie sieht so eine Reinigung aus?

Es ist eine Trockenreinigung, der Schimmel wird abgesaugt, einzelne Stellen werden mit Latexschwämmen bearbeitet. Dann werden je nach Schaden die Buchblöcke stabilisiert und Heftungen neu gemacht. Für angefressenes Papier wird Japanpapier, ein ganz dünnes Papier, verwendet, um es wieder zu stabilisieren.

Wäre es nicht leichter, die Bestände zu digitalisieren?

Nein, denn wir sammeln gerade erst Erfahrungen, welche Formen der Digitalisierung für die Langzeitarchivierung geeignet sind. Ob sich jedes Digitalisat in 50 Jahren noch problemlos lesen lässt, wissen wir nicht. Wenn wir aber Pergament stabilisieren und richtig lagern, wissen wir genau, dass es die nächsten paar Hundert Jahre erhalten bleibt.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2019
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