Süddeutsche Zeitung

Neue Umfrage:Die Freien Wähler frohlocken

Lesezeit: 3 min

Ein Jahr vor der Landtagswahl sieht der jüngste Bayerntrend die Partei mit einem deutlichen Plus. Frühere Sorgen, als Juniorpartner von der CSU erdrückt zu werden, verfliegen. Stattdessen: Treueschwüre auf beiden Seiten.

Von Andreas Glas, München

Um 17 Uhr waren die Umfragezahlen da, um 17.05 Uhr reagierte Florian Streibl mit einer E-Mail an die Presse. Seine Freude musste raus, und zwar schnell. Eine "wunderbare Bestätigung" und ein "enormer Ansporn" für die Bayern-Wahl 2023, so kommentierte der Fraktionschef der Freien Wähler am Donnerstag den neuen Bayerntrend, der Streibls Partei bei elf Prozent sieht, wäre jetzt schon Landtagswahl. Plus drei Prozentpunkte, fast ein Drittel mehr Stimmen als in der Umfrage zu Jahresbeginn, keine andere Partei konnte in diesem Maße zulegen.

"Wir Freie Wähler können Krise!", jubelt Streibl angesichts der Probleme, die seine Fraktion seit drei Jahren begleiten. Erst Corona, jetzt die Energiekrise. Was auf jeden Fall stimmt, Stand Oktober 2022: Die FW können sich in einer Koalition mit der scheinbar übermächtigen CSU behaupten. Dieser Eindruck verfestigt sich, nach nun vier Jahren in der Staatsregierung.

Zum Start der Koalition, Ende 2018, hatte FW-Chef Hubert Aiwanger höchstselbst davor gewarnt, dass seine Partei von der CSU erdrückt werden könnte. Man müsse gut aufpassen, "wenn man mit jemandem ins Bett geht, der viermal so schwer ist wie man selbst", sagte er. Es liegt nahe, dass Aiwanger das Schicksal der FDP im Kopf hatte, die von 2008 bis 2013 als Juniorpartner der CSU mitregierte. Das Ende der schwarz-gelben Koalitionsstory ist bekannt: Die CSU holte 2013 die absolute Mehrheit zurück, die Liberalen flogen aus dem Landtag. Dass sich die Freien Wähler das FDP-Schicksal zum warnenden Beispiel nahmen, ist schon deshalb nachvollziehbar, weil es kein anderes Beispiel gibt. Bis 2008 hatte die CSU 46 Jahre lang allein regiert.

Ist es also an der Zeit, die empirisch eher dünn untermauerte These zu revidieren, dass man als Koalitionspartner der CSU nur zugrunde gehen kann? Zuletzt jedenfalls hantierte die CSU im Umgang mit den Freien Wählern mit denselben Instrumenten, mit denen sie die FDP damals erfolgreich unter die Fünf-Prozent-Marke drückte: Treueschwüre und Liebesbekenntnisse. Er wolle "die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen", sagte Markus Söder.

Inzwischen kumpelt der CSU-Chef mit dem FW-Chef sogar, wenn es ums Impfen geht. Er habe seinen Ministerinnen und Ministern empfohlen, sich gegen Grippe impfen zu lassen, sagte Söder am Dienstag, in der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung. Dann schaute er lächelnd zu Aiwanger, seinem Wirtschaftsminister, dessen Impfskepsis ihn früher mal auf die Palme brachte. Er wolle das Thema "nicht wieder anfangen, das ist alles freiwillig", sagte der Ministerpräsident. Und Aiwanger? Quittierte Söders Freundlichkeit mit einem demonstrativ unschuldigen Blick in die Luft. Dann gemeinsames Gelächter, Schulterklopfer, wie zwei Buddys.

Die Tonspur für die Landesversammlung ist gesetzt

So verschmust gab sich schon einmal ein Ministerpräsident gegenüber seinem Regierungspartner. "Horst Seehofer war schlau genug, nur gut über die FDP zu reden, und dass er die Koalition fortsetzen will", sagte der damalige FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil mal über das Wahljahr 2013, als Seehofer die Liberalen mit Komplimenten erdrückte und ihnen förmlich die Luft nahm, sich neben der CSU zu profilieren.

Den Freien Wählern dagegen scheint das zu gelingen - obwohl sie gerade deutlich weniger auftrumpfen als über weite Strecken der Pandemie, in der sie immer mal wieder über den strengen Kurs der CSU schimpften. Aktuell? Schimpfen CSU und FW einträchtig, und zwar über die Ampelkoalition in Berlin. Es brauche einen Energiepreisdeckel "nicht nur für Gas, sondern auch für Öl und Strom", forderte FW-Chef Aiwanger am Freitag und sprach über "die chaotischen Verhältnisse" im Bund. Damit dürfte auch die Tonspur gesetzt sein für die Landesversammlung der FW an diesem Samstag in Straubing.

Der CSU wiederum kann das Umfragehoch des Koalitionspartners gar nicht gefallen. Immerhin hat Parteichef Söder ja das Ziel ausgerufen, vor allem Stimmen auf dem Land zurückzuerobern, wo die FW besonders stark sind. Dazu kommt der eigene Umfragewert, 37 Prozent, der unter den CSU-Werten der Sommer-Umfragen liegt. Auf Twitter feiert Söder trotzdem die "satte Mehrheit" der Koalition im Bayerntrend. Dass sich die CSU für diese Mehrheit mehr denn je bei den FW bedanken muss, erwähnt Söder nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5675146
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.