Süddeutsche Zeitung

Glaube und Religion:Wer rückt an die Spitze der evangelischen Kirche in Bayern?

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Für die Nachfolge von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm stehen zwei Frauen und zwei Männer zur Wahl. Wer sie sind und wie sie sich gegen den Abwärtstrend der Institution stemmen wollen.

Von Annette Zoch

Noch gut sieben Monate lang bleibt es bei den Bedford-Strohms zu Hause wie immer: Zuerst kocht Heinrich seiner Ehefrau Deborah in aller Herrgottsfrühe einen Kaffee, dann eilt er - mit Selfiestick und Handy bewaffnet - in den Englischen Garten und nimmt einen biblischen Morgenimpuls für seine Facebook-Seite auf. Am 31. Oktober aber endet nach zwölf Jahren seine Amtszeit als bayerischer evangelischer Landesbischof, von da an wird er sich ganz auf seine Rolle als Vorsitzender des Zentralausschusses beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf konzentrieren.

Doch schon vorher, an diesem Montag, wird in der Münchner Matthäuskirche sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin bestimmt: Die 108 Mitglieder der bayerischen Landessynode dürfen dann zwischen vier Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Diese durften sich nicht selbst bewerben, sondern mussten vorgeschlagen werden. Aus 27 Namen wählte der Wahlvorbereitungsausschuss am Ende zwei Frauen und zwei Männer aus: die Landshuter Dekanin Nina Lubomierski, 47, die Direktorin des Zentrums "Mission Eine Welt" in Neuendettelsau, Gabriele Hoerschelmann, 54, den Münchner Regionalbischof Christian Kopp, 58, und den Windsbacher Dekan Klaus Schlicker, 56.

Heinrich Bedford-Strohm, der mit seiner Meinung nie hinter dem Berg hielt und sich aktiv in politische Debatten einmischte, war wie kein anderer das Gesicht der evangelischen Kirche in Bayern und, als EKD-Ratsvorsitzender, lange Jahre auch der evangelischen Kirche in ganz Deutschland. Welche Akzente werden die Nachfolger setzen - werden sie ähnlich politisch, auch über Bayern hinaus, wie gehen sie mit innerkirchlichen Transformationsprozessen um, welches Bild von Kirche zeichnen sie?

Bereits am Freitag vergangener Woche konnten die Mitglieder der Landessynode davon einen ersten Eindruck gewinnen, beim sogenannten Vortanzen der vier Aspiranten in der Nürnberger Gustav-Adolf-Gedächtniskirche. Neben Smalltalk über persönliche Vorlieben (Schokolade oder Chips, Netflix oder Tagesschau?) ging es durchaus auch ans Eingemachte: Immer wieder war die Rede von den hohen Austrittszahlen, schmerzhaften Schrumpfungsprozessen, dem Gefühl, als evangelische Kirche für die Mehrheit der Menschen irrelevant geworden zu sein.

Von ihrem Großvater habe sie im Meer schwimmen gelernt, erzählt Gabriele Hoerschelmann, die mit dem "Zentrum Mission Eine Welt" für rund 200 Mitarbeiter und ein Budget von rund zwölf Millionen Euro verantwortlich zeichnet. Sie habe gelernt, "wie man sich von den rollenden Wellen nicht umwerfen lässt, sondern wie man sie surft. Dazu braucht man ein Zutrauen in die eigene Balance". Wenn man den "Insolvenzgesang" anstimme, "hat uns die Welle schon gepackt. Diese Gesellschaft braucht unsere Stimme".

Die Rituale der Kirche seien ein großer Schatz und sie habe in ihrer Zeit als Theologieprofessorin in Hongkong erfahren, dass Kirche auch aus der Minderheitenposition heraus eine wichtige Stimme sein könne, "wenn sie danach fragt, was die Menschen brauchen".

Der Münchner Regionalbischof Christian Kopp hielt ein Plädoyer für den Zusammenhalt, es gehe nur gemeinsam, das ziehe sich wie ein roter Faden durch die Bibel. Die Kirche brauche mutige Menschen, die einfach loslegten. Glaube geschehe im "Ich-Du-Kontakt", die Kirche solle sich ein Beispiel daran nehmen, wie Jesus Menschen begegne, so Kopp.

Kirchen als Orte persönlicher Begegnung kämen allerdings zunehmend unter Druck und man werde nicht alle Orte halten können. "Ich brauche keine selbstbewusste Kirche, mir reicht eine demütige, die aber das, was sie machen soll, gut macht", so Kopp. Man werde angesichts sinkender Einnahmen Sinnloses, aber auch Sinnvolles in Ehre verabschieden müssen, bei allem stehe er aber für eine Kirche "die über sich selbst lachen kann und fröhlich nach vorne schaut".

Die Landshuter Dekanin Nina Lubomierski scherzte, dass sie im Kandidatenrennen als "die Junge" gelte, obwohl sie auf die 50 zugehe und eine Gleitsichtbrille trage. Sie hatte für ihre Vorstellung einen großen Schlüssel mitgebracht, den sie in die Höhe hielt und sich wünschte, es gebe einen "Generalschlüssel für alle Probleme der kommenden zehn Jahre - aber diesen Schlüssel gibt es nicht, und schon gar nicht für eine Person alleine". Um die Kirche durch die nächste Dekade zu führen, brauche es die "Schlüsselkompetenzen" aller.

Lubomierski, die in Landshut für unkonventionelle Aktionen wie eine Pop-up-Kirche in der Fußgängerzone bekannt ist, berichtete unter Zuhilfenahme diverser weiterer Schlüsselmetaphern von Stationen ihres Lebenswegs, von "aufschlussreichen Momenten" und "Schlüsselerlebnissen". Der Schlüssel zur Gemeinde sei für sie der wertvollste gewesen, sagt Lubomierski: Weil die gebürtige Hamburgerin nicht Mitglied der evangelischen Landeskirche war, arbeitete sie zunächst als ehrenamtliche Pfarrerin. "Ich weiß, was es heißt, sich unentgeltlich zu engagieren."

Der Mangel helfe, sich auf das zu besinnen, was Kirche ausmache, sagte der Windsbacher Dekan Klaus Schlicker: "Diese Verwurzelung in der Gegenwart Gottes und das bewusste Leben aus den Kraftquellen, die wir haben - Bibel, Gebet, Segen." Die Kirche müsse sich darauf konzentrieren, wofür sie eigentlich da sei: "Die Nähe zu den Menschen, die Präsenz vor Ort."

Sollte er gewählt werden, wolle er mit jeder Berufsgruppe und mit allen Ehrenamtlichen einen Plan gestalten, wie man besonders nach Corona den Menschen wieder nahe sein könne - "damit das so brüchig gewordene Vertrauen wieder wächst. Denn die Seelsorge ist das Pfund, mit dem wir wuchern müssen." Dafür brauche es auch die Jugend - diese sei nicht die Zukunft der Kirche, "sie ist die Kirche". Auch die Diakonie sei nicht nur ein Ausdruck von Kirche, "sie ist Kirche", so Schlicker.

Nach den öffentlichen Vorstellungen durften die Synodalen die Kandidatinnen und Kandidaten noch hinter verschlossenen Türen befragen. Für wen sie sich entschieden haben, wird man spätestens am Montagabend wissen.

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