Süddeutsche Zeitung

Esskultur:"Die Schlachtschüssel darf nicht sterben"

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Jeder mag Weißwürste, doch was ist mit Blut- und Leberwürsten? Sie fristen ein Schattendasein. Ein Verein will das ändern, die Gründer erklären wieso.

Interview von Hans Kratzer

Auf der Welt herrscht zurzeit ein einziges Durcheinander, nicht nur, weil Fasching ist. Zum Glück gibt es noch Horte der Beständigkeit, in denen nicht der Hass und das Chaos, sondern Gaudium und Lebensfreude obwalten. Ein solches Refugium ist der "Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste" in Bad Höhenstadt bei Passau.

Am Faschingsdienstag tritt der Schlachtschüsselverein im Saal des Gasthauses Stopfinger zur Jahresversammlung zusammen. Ein guter Anlass, um bei dem vom Verein ernannten Minister der Innereien, Hans Göttler, und beim Vereinsgründer Franz Achatz nachzufragen, wie es um die Gemütslage beim Schlachtschüsselverein bestellt ist - in Zeiten des Vegetarismus, des Trumpismus und der beleidigten Leberwürste.

SZ: Herr Göttler, wie zu hören ist, werden Sie am Faschingsdienstag als Festredner beim Leberwurstverein die Entbazifizierung Bayerns fordern.

Hans Göttler: Der Begriff stammt von Jakob Fischbacher, dem Gründer der Bayernpartei. Er hat nach dem Krieg neben der Entnazifizierung auch eine Entbazifizierung verlangt. Kriminelle und Gschwerl jeder Art wollte er nach Sibirien schicken. In der Politik wuseln aber immer noch viele Bazis und Bazillen, also weibliche Bazis, herum. Selbst Kanzlerin Merkel und ihr Herausforderer Schulz sind vom Bazismus infiziert: Sie liebt Erdoğan mehr als Horsti, er hat den Bazi europäisiert.

Was schlagen Sie als Sanktion gegen Merkel vor?

Göttler: Wird sie abgewählt, bleibt nur noch eins: Ab nach Wien mit ihr, und zwar zum Opernball als Girlie an der Seite von Richard "Mörtel" Lugner.

Reden wir lieber über Blut- und Leberwürste. Für Kenner der bayerischen Wirtshausküche ja ein Hochgenuss - wieso braucht es einen Verein zur Förderung ihres Ansehens?

Franz Achatz: Verglichen mit der in höchstem Ansehen stehenden Weißwurst fristen die Blut- und Leberwürste leider ein Schattendasein. Die Schlachtschüssel darf nicht sterben. Als wir den Verein vor 20 Jahren gründeten, traten auf einen Schlag 120 Mitglieder bei. Im Jahr darauf waren wir schon 350, es kann aber sein, dass da alternative Fakten existieren. Auf alle Fälle schützen wir ein altes Kulturgut, wir verzehren ja die Blut- und Leberwürste nicht nur, sondern wir erforschen auch ihre Geschichte.

Hat der Verein ein Herz für Vegetarier und Veganer?

Achatz: Jeder und jede ist bei uns willkommen, wir missionieren niemanden. Unser Verein ist ein Spiegel der Gesellschaft, Akademiker, Arbeiter und Rentner, alle Schichten sind vertreten. Unser Hauptproblem ist, dass nur 200 Wurstbegeisterte in den Saal hineinpassen. Wir reservieren keine Plätze, man muss also zeitig da sein, wenn man einen Platz ergattern will.

Sie behaupten, die Bayern lebten in einer Schlachtschüsselrepublik. In einem solchen Gemeinwesen gibt es doch gewiss auch beleidigte Leberwürste?

Göttler: Schauen Sie nur mal auf den Nockherberg. Voriges Jahr sind dort einige Politikerinnen von der Mama Bavaria derbleckt worden, jetzt sind sie eingeschnappt und kommen nicht mehr. Klassischer Fall von beleidigter Leberwurst, ein seelischer Zustand, den wir heilen wollen. Deshalb verleihen wir bereits zum sechsten Mal den "Orden wider die beleidigte Leberwurst", es ist die höchste Auszeichnung, die der Schlachtschüsselverein zu vergeben hat. Der Empfang dieses Ordens ist eine große Ehre, aus unserer Sicht ist er mindestens so wertvoll wie das Bundesverdienstkreuz.

Hat auch US-Präsident Trump eine Affinität zur Schlachtschüssel?

Achatz: Eines unserer Mitglieder wird tatsächlich ein Grußwort von Trump übermitteln, eine Schlachtschüsselrepublik hat eine Pflicht zur Diplomatie. Dann muss das Darben aber ein Ende finden. Die Mägen knurren, nach stundenlangen Reden werden endlich die dampfenden Würste, das Wammerl und das Kraut serviert.

Das Ende der Veranstaltung wird mit einigen Bäuerchen und dem Absingen der Blut- und Leberwursthymne eingeläutet. Eine kleine Kostprobe bitte!

Göttler: Die 1. Strophe beginnt so: Gott mit dir, du Land der Würste. Voller Leber, voller Blut! Ach wie schmeckt ihr doch so köstlich! Gschmackig, würzig, einfach gut!

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Quelle:
SZ vom 27.02.2017
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