Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Mehr Schutz für Gewässer

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Verbände fordern, aus Seen und Flüssen weniger Wasser auszuleiten

Von Christian Sebald, München

Umweltschützer, Fischer und Wassersportler fordern, dass in den Bächen und Flüssen in Bayern mehr Wasser fließen soll. Das heißt im Umkehrschluss, dass deutlich weniger Wasser aus ihnen für Wasserkraftwerke ausgeleitet werden soll als derzeit. "In Zeiten des Klimawandels müssen die Kraftwerke in Bayern den Flüssen angepasst werden und nicht umgekehrt", sagt der Präsident des Landesfischereiverbands, Albert Göttle. "Ein Aderlass vorwiegend nach kommerziellen Gesichtspunkten schwächt die Klimafitness unsere Gewässer und gefährdet die Artenvielfalt." Laut Richard Mergner vom Bund Naturschutz muss die Staatsregierung die Vorgaben für das Mindestwasser, das die Bäche und Flüsse im Freistaat führen müssen, dringend verschärfen. Ansonsten drohten in einigen Jahren sogar Strafzahlungen an die EU, weil deren Vorgaben für den Schutz der Gewässer verfehlt werden.

Hintergrund der Aufforderung ist der neue sogenannte Mindestwasser-Leitfaden des Umweltministeriums. Das Papier, an dem seit vielen Jahren gearbeitet wird, soll einmal die Kriterien für die Berechnung festlegen, wie viel Wasser aus einem jeden Bach und Fluss in Bayern für Wasserkraftwerke ausgeleitet werden darf und wie wenig in seinem Bett bleiben muss. Im aktuellen Entwurf des Papiers macht Umweltminister Thorsten Glauber (FW) den Anlagenbetreibern aus Sicht der Umweltschützer viel zu viele Zugeständnisse. Manche befürchten sogar eine Verschlechterung der bisherigen Praxis. Ein Sprecher des Umweltministeriums weist die Vorwürfe zurück. "Es ist eine Grundaufgabe, die Belange von Klimaschutz, erneuerbaren Energien und Gewässerökologie in Einklang zu bringen", sagt er. Ziel des neuen Leitfadens sei, eine ausreichende Wassermenge in jedem Bach- und Flussabschnitt sicherzustellen. "Gleichzeitig sollen aber auch die energiewirtschaftlichen Belange der kleinen Wasserkraft Berücksichtigung finden", erklärt der Sprecher. Sie sei eine regional und traditionell bedeutende erneuerbare Energiequelle im Freistaat.

Die Wasserkraft ist nach der Photovoltaik die zweitwichtigste erneuerbare Energie in Bayern. Insgesamt gibt es im Freistaat 4285 Wasserkraftwerke. Sie erzeugten 2018 fast elf Milliarden Kilowattstunden Strom, ihr Anteil am Strom aus erneuerbaren Energien betrug in dem Jahr knapp 31 Prozent. Die Spreizung zwischen den Wasserkraftwerken ist allerdings enorm. 4062 der 4285 Anlagen oder fast 95 Prozent sind Kleinst- und Kleinanlagen mit weniger als einem Megawatt Leistung. Sie produzieren zusammen nur neun Prozent des Wasserstroms in Bayern. Die 61 großen Wasserkraftwerke im Freistaat mit zehn und mehr Megawatt Leistung liefern dagegen zwei Drittel des Wasserstroms hierzulande.

Unter Experten herrscht Einigkeit, dass die Bedeutung der kleinen Wasserkraftwerke für die Stromversorgung und den Klimaschutz eher gering ist. Dafür ist ihr ökologischer Preis hoch. 90 Prozent der Bäche und kleineren Flüsse in Bayern werden für sie genutzt. Das heißt vor allem, dass das meiste Wasser aus ihnen in Kanäle zu Kraftwerken ausgeleitet wird. Dadurch werden die Lebensräume von Fischen und anderen Wasserlebewesen im ursprünglichen Bach- oder Flussbett stark beeinträchtig, wenn nicht gar zerstört. Gemessen an den europäischen Naturschutzstandards waren 2015 höchstens 15 Prozent der Flüsse und Bäche in Bayern in einem guten ökologischen Zustand. Aus Sicht der Fischer sind die kleinen Wasserkraftwerke einer der Hauptgründe, warum vier Fünftel der 75 heimischen Fischarten auf der Roten Liste stehen. Die Anlagenbetreiber hingegen beharren darauf, dass ihre Kraftwerke für ein Gelingen der Energiewende und den Klimaschutz unbedingt nötig seien. Deshalb fordern sie schon lange mehr Unterstützung durch den Freistaat. CSU und FW bekennen sich seit Jahren zur kleinen Wasserkraft.

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SZ vom 14.07.2021
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