Süddeutsche Zeitung

CSU: Weiß kritisiert Seehofer:Aufstand eines Gedemütigten

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Die Attacke von Staatssekretär Bernd Weiß auf Ministerpräsident Horst Seehofer ist Ausdruck des Ärgers, der seit der Bundestagswahl in der CSU anschwillt.

Kassian Stroh

Was treibt Bernd Weiß an?

Geht es ihm um die Sache, wie er sagt, also um die komplizierten Details der Finanzierung des neuen Digitalfunks?

Ist es Frustration über sein Dasein als Innenstaatssekretär, über seinen nicht erfolgten Aufstieg zum CSU-Bezirkschef von Unterfranken?

Ist es ein persönliches Zerwürfnis mit dem Ministerpräsidenten? Oder geht es ihm darum, bald wieder als Notar arbeiten und mehr Geld verdienen zu können?

Das weiß nur Bernd Weiß selbst - sofern er sich denn darüber selbst im Klaren ist.

Das spielt aber auch nicht die entscheidende Rolle. Denn Weiß selbst hat in seinem Brandbrief an Horst Seehofer die Sache des Digitalfunks verknüpft mit einem grundsätzlichen Problem der Staatsregierung: mit dem Regierungsstil von Seehofer. Weiß beklagt, dass man sich bei dessen Vorgehen über die "fehlende Glaubwürdigkeit der Politik" nicht mehr wundern müsse.

Er beklagt, dass Seehofer bis dato nie mit ihm über dessen recht eigenwillige Androhung vom Juli gesprochen habe, Weiß aus dem Kabinett zu werfen, sollte der noch einmal eine Sitzung früher verlassen. Kaum hatte der Staatssekretär seinen Brief geschrieben und kaum war er öffentlich, bekam Weiß einen Gesprächstermin. So sieht Seehofers Mitarbeiterführung aus.

Dass ein Staatssekretär seinen Chef derart harsch angeht, ist ein beispielloser Vorgang, es ist ein schriftliches Misstrauensvotum. Aber Weiß hat damit - ob unbeabsichtigt oder willentlich - dem großen Unmut in der CSU über Seehofer, der seit dem schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl anschwillt, ein Gesicht gegeben.

Weiß geriert sich als einer der Wenigen, die es sich trauen, dem Vorsitzenden offen zu sagen, dass seine Politik der Sprunghaftigkeit ein Irrweg ist. Bleibt er im Amt, wird Weiß politisch fortan nichts mehr zu melden haben.

Tritt er zurück, wird er zum politischen Märtyrer. Genau das weiß und fürchtet Seehofer, weshalb er ihn von sich aus nicht entlassen will.

Bis zur Bundestagswahl hatte Seehofer so viel Autorität, dass er seine Minister und Staatssekretäre beinahe nach Belieben schurigeln konnte. Der Fall Weiß zeigt, dass das vorbei ist.

Es wird nicht die einzige Eruption bleiben, die die CSU erschüttern wird. Auch weil es noch mehr frustrierte Opfer von Seehofers Umgangsformen gibt.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2009
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