Süddeutsche Zeitung

CSU und Flüchtlingsrat:30 Jahre Zwietracht

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Von Maximilian Gerl, München

Drinnen richten Roadies gerade die Bühne für die Bands her. Draußen kochen Menschen gemeinsam, Freunde, Helfer, Geflüchtete, Einheimische. Von der CSU ist bislang niemand gekommen. "Na ja", sagt Matthias Weinzierl, einer der Organisatoren, und lächelt, "wir haben sie auch nicht direkt eingeladen."

30 Jahre wird der Bayerische Flüchtlingsrat alt, darum die Feier an diesem Samstag im Münchner Feierwerk. 1986 in Tutzing gegründet, sollte der Rat Flüchtlingshelfer aus ganz Bayern miteinander vernetzen und mit Informationen zum Ausländerrecht versorgen. Inzwischen ist daraus ein richtiger Verband geworden, mit 16 Mitarbeitern, zwei Büros in München und Nürnberg und mehr als 700 Mitgliedern. Das Ziel: Flüchtlingen in Bayern eine Lobby zu verschaffen. Der größte Gegner: die CSU.

Der Flüchtlingsrat sieht sich als "letzte unabhängige und bayernweit agierende Organisation der Flüchtlingssolidarität". Ein Selbstverständnis, mit dem man sich nicht nur Freunde macht, vor allem, wenn man der Meinung der CSU und damit der Staatsregierung widerspricht. Beide Seiten haben sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine gute Asylpolitik aussieht. Und nutzen jede Gelegenheit, dass der anderen Seite vorzuhalten.

Mit dem Innenministerium ist das Verhältnis besonders angespannt. Das hat Tradition. 2003 wurden dem Flüchtlingsrat die EU-Fördermittel gestrichen, er stand vor der Pleite. Weinzierl und seine Kollegen sind sich bis heute sicher, dass das Innenministerium dahintersteckte. Umgekehrt verliehen sie dem ehemaligen Innenminister Günther Beckstein einen Orden für unmenschliche Asylpolitik. Seinen Nachfolger Joachim Herrmann bezeichnete ein Ratssprecher jüngst als "Staatsminister der Grausamkeit", der sich in die Herzen aller Rechten spielen wolle.

In den 30 Jahren seines Bestehens musste der Flüchtlingsrat immer wieder "Gras fressen", wie Weinzierl sagt. Zum Beispiel 2013, als Asylbewerber auf dem Münchner Rindermarkt campierten und die Anerkennung ihrer Asylanträge forderten. Mehrere traten in einen Hungerstreik - eine lebensgefährliche Form des Protests. Offiziell hatte der Flüchtlingsrat damit nichts zu tun, nur glauben wollten das nicht alle. Der CSU-nahe Bayernkurier zitierte genüsslich einen Sprecher der Inneren Mission: "Da haben sich viele Leute alle Haxen ausgerissen und versucht, die Lage zu beruhigen, und vom Flüchtlingsrat kam eher noch Befeuerung der Sache."

Der Rat ist eine unbequeme Einrichtung

Zurückhaltung ist nicht Sache des Flüchtlingsrats. Er will den Finger in die Wunde legen, aufzeigen, wo die Asylpolitik an ihre Grenzen stößt. Zurückhaltung ist auch nicht unbedingt Sache der CSU - ein Grund mehr, warum zwischen den beiden eine gewisse Grundspannung herrscht.

"Auch in Zukunft möchten wir dem Freistaat Bayern unsere unbequeme und dringend notwendige Arbeit nicht vorenthalten", sagt Weinzierl. Im Innenministerium dürfte man das wenig begeistert zur Kenntnis nehmen.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2016
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