Süddeutsche Zeitung

Neue Vizevorsitzende der CSU:Die Quotenprofiteurin

Lesezeit: 3 min

Die Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger ist neue Vizevorsitzende der CSU. Als JU-Chefin nannte sie 2010 eine Frauenquote für hohe Parteiämter "falsch" und "Unrecht". Jetzt sagt sie: "Ich habe schon immer demokratische Mehrheiten akzeptiert."

Von Andreas Glas, Nürnberg

Man muss ihr diese Frage einfach stellen, mit Augenzwinkern. Also, wie ist das so als Quotenkandidatin? Na ja, "wegdiskutieren können wir das natürlich nicht" mit der Quote "und dass man die auch erfüllen muss", sagt Katrin Albsteiger beim CSU-Parteitag in Nürnberg. Es ist Freitagabend, die Stimmzettel werden gerade ausgezählt. Albsteiger sitzt in der zweiten Stuhlreihe und wartet auf das Ergebnis, das sie in wenigen Minuten ganz nach vorne wuchten soll, erste Reihe, neben CSU-Chef Markus Söder. In solchen Momenten "ist man immer aufgeregt", sagt Albsteiger.

So spricht eine Frau, der es die CSU nicht immer leicht gemacht hat. Und sie der CSU nicht. Entsprechend erleichtert sieht Albsteiger aus, als ihr Ergebnis feststeht. 85,9 Prozent, das zweitbeste Resultat aller fünf gewählten CSU-Vizechefs. Aber die Pointe dieser Wahl bleibt die Sache mit der Quote. Wer frech ist, kann Albsteiger nun nennen, was sie nie sein wollte: eine Quotenprofiteurin.

Um das zu verstehen, muss man ein paar Hintergründe kennen. Etwa den Umstand, dass dem engeren CSU-Vorstand laut Parteisatzung nicht nur 50 Prozent Frauen angehören müssen - sondern inzwischen auch eine Person unter 40 Jahren dabei sein muss. Weil das bislang nicht der Fall war, musste jemand Platz machen für ein jüngeres Mitglied. Letztlich war es Martin Sailer, Landrat in Augsburg, der auf eine neuerliche Kandidatur verzichtete - und seine Nachfolgerin selbst vorschlug: Katrin Albsteiger, Oberbürgermeisterin in Neu-Ulm, 37 Jahre jung.

Es ist der zweite CSU-Parteitag, bei dem Albsteiger eine der Hauptrollen zufällt. Das erste Mal ist eine Weile her, Oktober 2010 in München. Da hieß Albsteiger noch Poleschner und war Vizechefin der Jungen Union (JU), der CSU-Parteijugend. In München sollten die Delegierten darüber abstimmen, ob Parteiämter auf Landes- und Bezirksebene künftig zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein sollen. Eine Forderung der Frauen Union (FU), die sich der damalige CSU-Chef Horst Seehofer zu eigen gemacht hatte. Bei der JU kam diese Idee gar nicht gut an. "Die Quote ist falsch und sie ist Unrecht", rief Albsteiger damals in den Saal. Ihr Argument: Eine erfolgreiche Frau wäre immer dem Vorwurf ausgesetzt, nur wegen der 40-Prozent-Regel in einem der CSU-Spitzengremien zu sein.

Am Ende war es knapp, was auch an Albsteigers leidenschaftlicher Rede gelegen haben könnte. 445 Stimmen dafür, 350 dagegen. Das Ziel, die Quote zu verhindern, hatte Albsteiger also verpasst. Aber spätestens nach dem Auftritt beim Parteitag galt sie als Zukunftsversprechen der CSU. "Ich sage das ungern, aber Sie waren richtig gut", sagte Seehofer hinterher zu Katrin Albsteiger. Der Spiegel nannte sie "Shooting-Star", die Bild wahlweise "neue Geheimwaffe der CSU" und "Paris Hilton der CSU", da einzelne Parteimitglieder angeblich optische Parallelen zur US-Hotelerbin sahen, die zu jener Zeit vor allem als Skandalnudel auffiel. Ein Vergleich, der womöglich viel darüber erzählt, wie schmal für selbstbewusste Frauen der Grat zwischen Anerkennung und Ablehnung ist, zumal in der Politik, die damals noch männerlastiger war als heute.

Es dauerte jedenfalls nicht lange, bis an Albsteiger der Ruf klebte, sie habe ihre Karriere mehr im Blick als die Interessen ihrer Partei. Von einer "One-Woman-Show" war die Rede, nachdem sie im November 2011 von der Vizechefin zur JU-Landesvorsitzenden aufgestiegen war. Im Herbst 2013 gab Albsteiger, kurz zuvor in den Bundestag gewählt, das Amt wieder auf. Die Zeitungen schrieben von einem "Putsch", die Bild von einem Putsch gegen "die junge Blondine mit Paris-Hilton-Look". Neuer JU-Chef wurde Hans Reichhart, heute Landrat in Günzburg. Er wurde am Freitag ebenfalls in den engeren Kreis um Söder gewählt, zum CSU-Schatzmeister.

Erst Hoffnungsträgerin, dann weggeputscht. Erst in den Bundestag gewählt, 2013, dann wieder rausgepurzelt, 2017. "In der Politik passiert oft Unvorhersehbares", sagt Katrin Albsteiger am Freitag auf dem CSU-Parteitag über ihre Zickzackkarriere. Manchmal gebe es Rückschläge, "manchmal öffnen sich Türen", wie im Frühjahr 2019, als Neu-Ulms OB Gerold Noerenberg ankündigte, nicht nochmals für sein Amt zu kandidieren. Albsteiger griff nach der Kandidatur. Seit Mai 2020 ist sie die Chefin im Rathaus.

Ohne Quote wäre sie jetzt nicht Parteivize, das weiß Albsteiger. Sie weiß aber auch: Wäre sie nur Quotenvize, hätte sie keine 85,9 Prozent bekommen. "Ich sehe mich nicht nur als diejenige, die die Quote unter 40 erfüllt. Ich bin Schwäbin, ich bin auch Frau, und ich bin vor allem Kommunalpolitikerin." Als Kommunalpolitikerin mit Gewicht ist Katrin Albsteiger inzwischen anerkannt in der CSU. Als Interessenvertreterin der Kommunalpolitik sieht sie auch ihre neue Rolle im engeren CSU-Vorstand, in dem nun vier von sechs Posten von Frauen besetzt sind. Neben Albsteiger sind das Europaministerin Melanie Huml, Europapolitikerin Angelika Niebler und Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, die mit 69,7 Prozent allerdings ein miserables Ergebnis holte, zumal als weibliche Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl. Über den hohen Frauenanteil an der Parteispitze sagt Katrin Albsteiger: "Das freut mich." Ob sie ihren Frieden mit den Quoten in der CSU-Satzung gemacht hat? Sie lächelt, dann sagt sie: "Ich habe schon immer demokratische Mehrheiten akzeptiert."

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SZ vom 13.09.2021
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