Süddeutsche Zeitung

Fraueninsel im Chiemsee:Kunstfreiheit gegen den Kriegsverbrecher

Der Künstler Wolfram Kastner ruft wegen der verhängten Strafen für seine Aktionen am Grabmal des Nazigenerals Alfred Jodl den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

In seinem Kampf gegen das Grabmal für den Nazigeneral und Kriegsverbrecher Alfred Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee hat sich der Aktionskünstler Wolfram Kastner an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt. Kastner sieht sich laut seiner von ihm selbst veröffentlichten Beschwerde in seiner Kunstfreiheit verletzt, da ihn deutsche Gerichte wegen Diebstahl und wegen Sachbeschädigung an dem Grabmal verurteilt haben.

Unter anderem hatte Kastner 2015 von dem umstrittenen Grabkreuz den Buchstaben J entfernt und an das Deutsche Historische Museum in Berlin geschickt. An dem von Kastner später überdies mit blutroter Farbe übergossenen Kreuz blieb nur noch "Odl" zu lesen, das bairische Wort für Jauche. Mehrere Instanzen hatten Kastner wegen dieser Aktionen schuldig gesprochen und dabei nach seiner Auffassung die Kunstfreiheit missachtet. Eine entsprechende Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht hatte dieses im vergangenen März nicht zur Entscheidung angenommen.

Kastners Aktionen drehen sich oft um den Umgang mit der deutschen NS-Vergangenheit und führen immer wieder zu juristischen Fortsetzungen vor Gericht. In dem Grab auf der Fraueninsel liegen nur Jodls zwei Ehefrauen und weitere Verwandte. Der in den Nürnberger Prozessen als Hauptkriegsverbrecher zum Tod verurteilte Alfred Jodl selbst wurde 1946 hingerichtet und seine Asche in einem Seitenarm der Isar verstreut. Gleichwohl trägt das zentrale Kreuz der Grabstätte auf der Fraueninsel seinen Namen, der inzwischen von einer steinernen Platte verdeckt ist.

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