Süddeutsche Zeitung

Blattmacher - der Schülerzeitungswettbewerb 2016:Keine Angst vor großen Themen

Lesezeit: 3 min

Die 18 besten Schülerzeitungen Bayerns beschäftigten sich mit Flucht, Angst, Vertreibung - und Beauty. Weiterhin dominieren gedruckte Ausgaben, doch für digitale Magazine gibt es Pilotprojekte

Von Anna Günther, München

Solche Gänsehaut-Momente gibt es wohl selten im HVB-Tower am Arabellapark. Die Münchner Artistentruppe um David Rashid bewies, wie dehnbar und flexibel der menschliche Körper sein kann. Und die 40 Mitglieder des Tanzprojekts Sarré verwandelten den grauen Teppich des Veranstaltungssaals in eine vibrierende Bühne: Sie tanzten und stampften im Stechschritt zu Michael Jacksons Protest-Hymne "They don't care about us", während an die Wand projizierte Fotos von Flüchtlingen an deren Hoffnung und Schicksal erinnerten.

Die Tänzer setzten das große Thema der vergangenen Monate musikalisch um. Auch einige der 18 besten bayerischen Redaktionen, die zur Siegerehrung des Schülerzeitungswettbewerbs Blattmacher nach München gereist waren, beschäftigten sich mit Flucht und Vertreibung - in Geschichten und Fotos.

So sehen Sieger aus: Bayerns preisgekrönte Schülerzeitungsredaktionen posieren im Foyer der Münchner Hypovereinsbank.

Das Tanzprojekt von Verena Sarré beeindruckte die Gäste.

Unter ihnen befanden sich SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach (l.), Staatssekretär Georg Eisenreich und die CSU-Abgeordnete Iris Eberl.

Die Moderation übernahmen Tom Soyer (l.) und Sebastian Beck.

Bei der Preisverleihung im HVB-Tower wurde viel gelacht (v.l.n.r.): Claudia Gaull, Landesbeauftragte des Kultusministeriums für Schülerzeitungs-Wettbewerbe, Birgit Zabel, Pressesprecherin der Hypovereinsbank (HVB), Anne Gfrerer, Leiterin der Corporate Reputation der HVB und SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach.

Die Münchner Artistenschule schickte ihre besten Schüler zusammen mit Akrobatik-Trainer David Rashid (rechts) auf die Bühne bei der Blattmacher-Preisverleihung.

Den Wettbewerb richtet die Süddeutsche Zeitung heuer zum elften Mal zusammen mit dem bayerischen Kultusministerium und der Hypovereinsbank aus. Wieder kürte eine Jury aus Journalisten, Lehrern, Schülern und Experten aus Wirtschaft und Politik die besten Magazine von Grund- und Mittelschulen, Realschulen, Förderschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen.

Die Redaktionen der drei besten Magazine aus jeder Kategorie durften schließlich nach München reisen und konnten ihre Redaktionskasse mit 200, 300 oder 500 Euro für die Sieger aufbessern. Für Anne Gfrerer, die Leiterin Corporate Reputation der Hypovereinsbank, ist die Förderung junger Journalisten eine Investition in die Zukunft. "Ihr lernt Qualitätsjournalismus, auch wenn ihr längst über Snapchat und sonst was kommuniziert", sagte Gfrerer.

Auffallend viele Schülerzeitungsredaktionen beschäftigten sich in diesem Jahr in ihren Ausgaben mit Flüchtlingen. Sich an komplexe und vielschichtige Themen wie Flucht, Ängste oder Fremde zu wagen, zahlte sich für die Jugendlichen aus: Vier der sechs Siegerhefte widmen Texte oder gar Schwerpunkte dem Schicksal der Zuwanderer, ihren Erlebnissen auf der Flucht und dem neuen Leben in der Fremde.

Die Redaktion des Zoom von der Freisinger Fach- und Berufsoberschule entschied sich sogar dafür, dem Thema die Titelstory und auch das Coverfoto zu geben. Zahra Lalzad lieferte dafür nicht nur ihr Lächeln, sondern schrieb auch über die Erfahrungen anderer Flüchtlinge und deren Erlebnisse.

Sie selbst kam 2011 mit dem Flugzeug aus Afghanistan. In den Gesprächen sei ihr bewusst geworden, wie leicht ihre Reise im Vergleich war. "Ich dachte immer, mir ist etwas Unfaires passiert, aber andere hatten es viel schlechter", sagte die 20-Jährige. Am Leben in Deutschland schätze sie besonders, dass sie im Bikini ins Schwimmbad gehen kann und ihre Meinung frei äußern darf.

Dass sie schlagfertig ist, bewies Zahra Lalzad prompt auf der Bühne. Auf die Frage, wie es ihr denn so gehe in Deutschland, entgegnete die junge Frau: "Na, haben Sie etwa unser Heft nicht gelesen?" Auch die jüngsten Sieger, die Redaktion des Rotstift von der Grundschule Tussenhausen im Unterallgäu wagten sich an das Thema, etwa mit der Erzählung einer Oma von ihrer Flucht vor Jahrzehnten.

Eine Gruppe Flüchtlinge war vor Monaten in ihr Dorf gezogen und die Grundschüler nutzten wie große Journalisten die Gelegenheit, sich diese Menschen und ihre Geschichten genauer anzusehen. Den etwas anderen Blick auf das Thema zeigt der Titel des Heftes "Eine Welt". Darin wagen sich die Grundschüler weit ins Digitale vor: Wer den abgedruckten QR-Code scannt, landet auf der Rotstift-Homepage, wo die Texte zu finden sind, die nicht mehr im gedruckten Heft stehen.

Auch Schülerzeitungen haben Redaktionsschluss. Das Internet nicht. Für SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach ist das längst Alltag: "Ich lese eigentlich rund um die Uhr - die gedruckte Zeitung, digital auf dem Smartphone und im Internet." Gerade in Zeiten, in denen viel passiere, wie aktuell nach dem Attentat in Nizza, gebe es kaum Phasen, in denen er nicht lese.

Für den Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich liegt in einem Rund-um-die-Uhr-Konzept wie diesem die Zukunft der Schülerzeitungen. "Es wird künftig weiter gedruckte und digitale Ausgaben geben, aber das entscheiden die Schüler selbst", sagte er. Noch erscheint die große Mehrheit der Schülerzeitungen auf Papier. Damit sich mehr Redaktionen in die digitale Welt trauen, bieten SZ, Kultusministerium und die Bundesvereinigung Jugendmedienbildung Workshops an. Wenn es um rechtliche und technische Fragen geht, können auch Digital Natives noch etwas lernen.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2016
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