Süddeutsche Zeitung

Bayerntrend:BR-Umfrage: Söder zieht davon

Lesezeit: 3 min

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

Im CSU-internen Streit um die Nachfolge von Ministerpräsident Horst Seehofer erarbeitet sich Finanzminister Markus Söder einen immer größeren Vorsprung auf seine Widersacher. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das BR-Politikmagazin "Kontrovers" beim Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap in Auftrag gegeben hat.

Demnach halten 44 Prozent der CSU-Anhänger Söder für den geeigneten Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018. In der Gesamtbevölkerung kommt er auf 36 Prozent. Damit sind Söders Werte im Vergleich zum Vorjahr zwar etwas gesunken, seinen Vorsprung auf seine Verfolger hat er jedoch ausgebaut.

Wirtschaftsministerin Ilse Aigner rutschte von 25 auf 18 Prozent bei den CSU-Anhängern ab (16 Prozent Gesamtbevölkerung), auf Platz drei folgt Innenminister Joachim Herrmann mit jeweils zehn Prozent. Söder sagte, er sehe das Ergebnis nur als Momentaufnahme und als Ansporn, weiter hart zu arbeiten.

Bayern rückt nach rechts

In den vergangenen Monaten ist Bayern insgesamt nach rechts gerückt: Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre, würde die AfD acht Prozent der Wählerstimmen bekommen und wäre damit erstmals im Landtag vertreten. Die CSU könnte dennoch wie bisher allein regieren: Sie käme auf 47 Prozent und hätte damit weiterhin die absolute Mehrheit.

Deutliche Einbußen erleidet die SPD: Sie käme nur noch auf 16 Prozent - ein Minus von drei Prozentpunkten im Vergleich zur Umfrage vor einem Jahr. Auch die Freien Wähler verlieren fünf Prozentpunkte auf nur noch fünf Prozent. Die Grünen dagegen können drei Prozentpunkte zulegen und kämen auf zwölf Prozent.

Die SPD ist bestürzt, die Freien Wähler schütteln den Kopf - und die Grünen jubeln

Angesichts des verheerenden Abschneidens der Sozialdemokraten zeigt sich Bayerns SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen bestürzt. "Das ist ein hartes Ergebnis", sagte sie zur SZ. Sie sieht darin die "Quittung" für das "nicht geschlossene Auftreten der SPD auf dem Bundesparteitag".

Dort war Parteichef Sigmar Gabriel mit nur 74,3 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. In bundesweiten Umfragen verharrt die SPD seit Monaten bei Werten um die 25 Prozent. Dass die Sozialdemokraten in Bayern nun nur noch auf 16 Prozent kämen, versteht Kohnen auch als "Warnschuss in Richtung Bund". Dort besetze die Partei wichtige Ministerien, die entscheidend zur Lösung des Flüchtlingsproblems beitragen könnten.

"Wir müssen einen klaren Fahrplan vorlegen, damit die Menschen wieder sagen: Ja, wir gehen den Weg mit der SPD, dort fühlen wir uns sicher." Allerdings dokumentiert der Bayerntrend des BR-Politikmagazin "Kontrovers" nach SZ-Informationen diesmal auch, dass die bayerische SPD bei klassischen sozialdemokratischen Kernthemen wie soziale Gerechtigkeit und Bildung mittlerweile deutlich hinter die CSU zurückgefallen ist.

"AfD, Pegida und Co. werden durch Seehofers Parolen erst salonfähig"

Die Grünen reagierten hocherfreut auf ihr Abschneiden. "Hier zeigt sich ganz klar, dass die bayerische Bevölkerung klare Alternativen zur giftversprühenden CSU-Politik will", sagte der Landesvorsitzende Eike Hallitzky. Seine Co-Vorsitzende Sigi Hagl machte die CSU für das Erstarken der AfD mitverantwortlich. "Mehr noch: AfD, Pegida und Co. werden durch Seehofers Parolen erst salonfähig."

SZ-Grafik; Quellen: BR/Infratest, eigene Recherche

SZ-Grafik; Quellen: BR/Infratest, eigene Recherche

Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, nahm den Absturz auf fünf Prozent "kopfschüttelnd" auf. Der Grund dafür liege wohl in der Polarisierung der öffentlichen Meinung, sagte Aiwanger. Die Bürger müssten sich die Frage stellen, ob sie "wirklich Radikale ins Parlament wählen wollen, mit denen niemand etwas zu tun haben will - oder lieber eine seriöse Verantwortungspartei wie die Freien Wähler, die sich kommunal bewährt hat". Die FW müssten noch mehr herausarbeiten, dass sie als Ideengeber und Korrektiv der CSU unverzichtbar seien.

CSU-Chef Seehofer nahm die 47 Prozent für seine Partei mit "gedämpfter Freude" zur Kenntnis. "Der Bruder des Erfolges ist der Leichtsinn", sagte Seehofer zur SZ. Und der habe sich in den vergangenen Monaten "leider etwas breitgemacht". Seine Partei ermahnte er zu Disziplin und Geschlossenheit, zumal erst die Hälfte der Legislaturperiode erreicht sei. Seehofers Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge stimmen 77 Prozent der Befragten zu.

Viele sehen Anlass zur Beunruhigung

Auch die Zufriedenheit mit dem Ministerpräsidenten fällt hoch aus: 70 Prozent der Gesamtbevölkerung finden Seehofers Arbeit gut, davon 92 Prozent der CSU-Anhänger und immerhin 55 Prozent der SPD-Wähler. In der Beliebtheit der bayerischen Politiker liegt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vor Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Seehofer, Herrmann und Söder. Erst auf Platz 14 folgt Aigner, unmittelbar vor Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann und Aiwanger.

Alle Ergebnisse kamen laut BR vor dem Hintergrund einer deutlichen Verunsicherung zustande. 57 Prozent der Bürger sähen Anlass zur Beunruhigung. Knapp jeder zweite Befragte (44 Prozent) bezweifele, dass Deutschland gut vor Terroranschlägen geschützt sei.

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SZ vom 14.01.2016
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