Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Aiwanger steht beim Flächenverbrauch zwischen den Lagern

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Von Christian Sebald, Landshut

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) steckt in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite machen die Grünen und die Umweltverbände Druck, dass er drastische Maßnahmen gegen den Flächenfraß im Freistaat ergreift. Ansonsten, so lautet ihre Drohung, werden sie ein zweites Volksbegehren für eine strikte Obergrenze des Flächenverbrauchs starten. Seit dem erfolgreichen "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" scheut Aiwanger solche Initiativen wie der Teufel das Weihwasser.

Auf der anderen Seite stehen die Kommunen und die Wirtschaft. Sie lehnen eine Obergrenze für den Flächenverbrauch kategorisch ab. Sie verlangen stattdessen, dass der Freistaat an seiner bisherigen Praxis festhält. Die lässt sich in drei Worte zusammenfassen: Information, Aufklärung und Beratung. Aiwanger, der als Wirtschaftsminister für die Landesplanung und damit für die Eindämmung des Flächenverbrauchs zuständig ist, steht auf Seiten der Kommunalpolitiker.

Nun tritt der Minister die Flucht nach vorne an. Noch im Juli wird er ein Maßnahmenpaket ins Kabinett einbringen. Das hat Aiwanger am Mittwoch in Landshut vor Kommunalpolitikern aus Niederbayern angekündigt. Im Zentrum steht die Aufnahme einer Richtgröße für den Flächenverbrauch von fünf Hektar am Tag in das Landesplanungsgesetz. CSU und Freie Wähler hatten dies bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.

Quantitativ gesehen entspricht die Richtgröße der verbindlichen Obergrenze, welche Grüne und Umweltverbände 2017 in ihrem Volksbegehren gefordert hatten. Die Initiative startete seinerzeit sehr erfolgreich, wurde dann aber vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof gestoppt. Der gravierende Unterschied zwischen der Obergrenze des Volksbegehrens und Aiwangers Richtwert ist, dass letzterer nicht verbindlich ist. Er formuliert vielmehr ein Ziel, das Freistaat, Kommunen und Wirtschaft miteinander auf freiwilliger Basis anstreben.

Aiwanger betonte in Landshut, dass er "nichts von einer von oben verordneten Verbotspolitik" hält. Denn mit so einer Politik werde man dem Flächenfraß nicht beikommen, sondern nur gigantische Streitereien unter den Kommunen, aber auch zwischen Freistaat und Gemeinden anzetteln. Flächensparen könne nur gelingen, "wenn alle an einem Strang ziehen". Die Großstädte genauso wie die Dörfer in den ländlichen Regionen müssten sich entwickeln können, der Freistaat wolle weder die Abwanderung von Betrieben riskieren, noch die Wohnungsnot weiter verschärfen.

Bayern steht beim Flächenfraß mit großem Abstand an der Spitze

Natürlich will es Aiwanger nicht bei dem Fünf-Hektar-Richtwert belassen. Er plant ein ganzes Bündel zusätzlicher Maßnahmen. So sollen Kommunen bei der Ausweisung von Neubaugebieten künftig nachweisen, dass diese wirklich nötig sind. Zugleich will er die innerörtliche Entwicklung stärken, also das Auffüllen von Baulücken oder die Bebauung von Brachflächen. Auch leer stehende Häuser und Geschäfte sollen besser erfasst werden, damit man sie schnell neu nutzen kann. Zur Koordinierung all dieser Maßnahmen will Aiwanger sogenannte Flächensparmanager installieren. Die ersten sind bereits benannt.

Bayern steht beim Flächenfraß mit großem Abstand an der Spitze der Bundesländer. 2017 kletterte er auf einen neuen Höchstwert von 11,7 Hektar am Tag. Aufs Jahr gesehen wurden 4300 Hektar vormals freies Land in Baugrund für Wohnsiedlungen, Gewerbegebiete und Straßen umgewandelt. Das ist deutlich mehr Fläche, als die oberbayerische 63 000-Einwohner-Stadt Rosenheim umfasst. Für viele Umweltpolitiker zählt der Flächenfraß zu den drängendsten Umweltproblemen des Freistaats. Auch die Staatsregierung will ihn schon lange eindämmen. 2003 hat sie mit Kommunen, Wirtschaftsverbänden und Umweltorganisationen ihr "Bündnis zum Flächensparen" etabliert.

Wie Aiwangers Initiative setzt es auf freiwillige Maßnahmen, ein Flächensparforum etwa und eine Flächenmanagement-Datenbank. Gegen den Flächenfraß hat das Bündnis aber nichts ausgerichtet. Längst sagen nicht nur Grünen und Umweltverbände, sondern auch Wissenschaftler, dass man ihn nur mit einer verbindlichen Obergrenze eindämmen könne.

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Quelle:
SZ vom 04.07.2019
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