Süddeutsche Zeitung

Gäubodenvolksfest in Straubing:Brennpunkt der Lebensfreude

Lesezeit: 3 min

Beim Gäubodenvolksfest, von Finanzminister Albert Füracker am Wochenende eröffnet, werden mehr als eine Million Besucher erwartet - und ein Ansteigen der Corona-Inzidenz. Doch manchem wurde hier in der Vergangenheit ganz anderes gefährlich.

Von Hans Kratzer, Straubing

Auch Straubing dörrt langsam aus, in der vergangenen Woche hat es dort nur eine gute halbe Stunde geregnet. Dummerweise prasselte der Platzregen justament in jenen Minuten hernieder, in denen sich am Freitag Tausende Musiker, Trachtler und Vereine mit prächtig herausgeputzten Pferdegespannen und Festwägen auf den Weg zum Festplatz Am Hagen machten. Der Auszug läutet traditionell den Beginn des Gäubodenvolksfests ein, eine der größten Festivitäten in Bayern überhaupt. Bis 22. August werden wieder mehr als eine Million Besucher erwartet. "Der Himmelvater hat da wirklich Humor bewiesen", sagte Oberbürgermeister Markus Pannermayr, der wie viele andere Gäste patschnass war, als er auf dem Festgelände eintraf.

Gewiss, alle hatten sehnsüchtig auf den Regen gewartet. "Vielleicht waren es die Freudentränen des Herrgotts", spekulierte Pannermayr, denn in Straubing zweifelt niemand daran, dass das Gäubodenvolksfest gemäß den Worten des Dichters Max Peinkofer ein Trumm vom Paradies ist. Umso schlimmer, dass dieses Paradefest coronabedingt zwei Jahre hintereinander ausgefallen ist. 1088 Tage, so haben sie es ausgerechnet, mussten die Straubinger auf diesen Tag warten. Für eine Stadt, die schon am letzten Tag des Volksfestes beginnt, die Tage bis zum Start des nächsten Festes herunterzuzählen, eine quälende Ewigkeit.

Die offizielle Eröffnung erfolgte am Samstag. Diesmal hatten die Straubinger den bayerischen Finanzminister Albert Füracker (CSU) als Festredner eingeladen. Das geschah natürlich nicht ohne Hintergedanken, denn ein Festredner muss ein Geschenk mitbringen. Und bei wem sollte da mehr zu holen sein als beim Finanzminister? Also trugen die Straubinger an Füracker gleich drei Wünsche heran. Zum einen brauchen sie Geld für die Sanierung des Karmelitenklosters und für ein Trainingszentrum der Polizei, zum anderen reichen die Förderungen für ein Projekt im Straubinger Hafen hinten und vorne nicht aus.

Füracker, der gegen Humorausbrüche meistens gefeit ist, aber gleichwohl launige Formulierungen drechselte, sagte einleitend, als Finanzminister müsse er natürlich aufs Geld schauen. Als Sparfuchs wälzte er gleich einmal zwei Projekte auf seine Kollegen Aiwanger und Herrmann ab. Er versprach aber, den Planungsauftrag für das Kloster zu unterschreiben, was bei den Festgästen eine ähnliche Zufriedenheit auslöste wie der obligatorische Empfang der Bier- und Hendlmarken.

Welch eine politische Potenz dem Gäubodenvolksfest innewohnt, ist auf dem Instagram-Kanal von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) abzulesen. Schon beim Auszug versäumte es Aiwanger nicht, sämtliche Landfrauen, Küchlbäckerinnen und Bedienungen, die eh so rar sind, für ihren Einsatz über den Schellnkönig zu loben. Er verknüpfte die Eloge mit manchem guten Ratschlag ("Glückliche Menschen am Fest - die Sorgen mal hinter sich lassen"), was ihm sogleich die Anerkennung der lokalen Insta-Gemeinde einbrachte ("Sauba Hubsi!").

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte einst seinen Auftritt kurzfristig ab

Dass seit Jahren ausschließlich bayerische Politiker und Honoratioren das Gäubodenvolksfest eröffnen, liegt an einem Eklat, den der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) im Jahr 2004 losgetreten hatte. Trittin sagte seinen Auftritt kurzfristig ab, auf die Schnelle ließ sich kein Ersatz mehr finden. Notgedrungen eröffneten der damalige OB Reinhold Perlak (SPD) und Landrat Alfred Reisinger (CSU) das Fest, wobei Reisinger das Verhalten Trittins mit einer dialektal gefärbten Wutrede geißelte. Den Sprachverein Bund Bairische Sprache faszinierte diese Rede so sehr, dass er Reisinger dafür auszeichnete. Reisinger war 2005 der erste Empfänger der Bairischen Sprachwurzel, deren Vergabe seitdem untrennbar mit dem Gäubodenvolksfest verknüpft ist. 18 prominente Vertreter aus Politik, Kultur, Wissenschaft wurden bislang mit dem Glaspokal ausgezeichnet, der auch deshalb sehr begehrt ist, weil er er so rar ist und viel weniger Träger hat als etwa der Bayerische Verdienstorden.

Die Annalen des Gäubodenvolksfestes sind voll von glanzvollen Auftritten, aber auch von Fehltritten jeglicher Art. Nicht nur Trittin brachte die Straubinger Seele in Wallung. Einst brauchte der damalige Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) als Festredner drei Anläufe, um korrekt zu sagen: "Wollen wir die Mass erheben." Zuvor hatte er unter dem Gelächter des Publikums den irdenen Krug als "den Mass" und dann als "das Mass" bezeichnet. Sein Ministerkollege Rudolf Scharping (SPD) zog daraus seine Lehren und eröffnete seine Rede mit den Worten: "Ich weiß, das Maß aller Dinge ist in Bayern die Mass." In den vogelwilden 90er Jahren weilte auch der Bundesverkehrsminister Günther Krause (CDU) in Straubing. Leider wusste er nicht, dass er sich in Straubing befand, er wähnte sich woanders.

Manchmal lasen sogar die Matadore der CSU den Straubingern die Leviten. Thomas Goppel machte ihnen auf dem Gäubodenvolksfest klar, dass sie, bevor sie Wissenschaftsstadt werden wollten, erst einmal mehr BR Alpha als RTL schauen sollten. Seinen Beliebtheitswerten tat diese Aussage nicht gut, aber wenigstens gab es damals in den Festzelten noch genügend Personal. In diesem Jahr fehlen Bedienungen, Spüler und Servicekräfte hinten und vorne. Corona hat alles komplett durcheinandergewirbelt. Und es ist kein Ende in Sicht. "Das Fest wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Inzidenzen haben", sagt OB Pannermayr. Abstand halten funktioniert nicht, die Stadt hat wenigstens kostenlose Selbsttests ausgegeben. "Ansonsten appelliere ich an die Eigenverantwortung der Menschen", sagt Pannermayr. Er selber wird jetzt kaum noch im Rathaus anzutreffen sein. Sorgen hin oder her - "das öffentliche Leben in Straubing verlagert sich komplett auf die Festwiese", sagt er.

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