Süddeutsche Zeitung

Bayern-Pop:Wer nix wird, wird Musiker

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Mathias Kellner aus Straubing hat nach seiner Schreinerlehre keinen Job gefunden - und wurde dann einer der erfolgreichsten Singer-Songwriter in Bayern.

Von Oliver Hochkeppel

Genau genommen wäre Mathias Kellners neues Album besser nicht erst jetzt, sondern schon vor drei Wochen erschienen. Vor der Wiesn also. Heißt es doch "Kettnkarussell" und zeigt auch ein sehr schönes Karussell auf dem Cover. Auf eine wilde Fahrt geht es da dann auch musikalisch, vom eher düsteren Titelsong als Parabel auf das Leben über das lustige "Bei Uns Dahoam" bis zum von der Flüchtlingskrise inspirierten "Hauptsach'". Der Blick hat sich geweitet, erfasst die ganze Welt, im Vergleich zum Vorgänger "Zeitmaschin'", auf dem Kellner sich - von der Geburt seines Sohnes angeregt - ganz explizit mit seiner eigenen Jugend beschäftigte.

Mehr denn je kann man nun auf "Kettnkarussell" all die verschiedenen Einflüsse heraushören, die den 32-jährigen Singer-Songwriter aus Straubing geprägt haben. Angefangen mit seiner Vorliebe für zugkräftige Pop-Melodien, was wohl nicht zuletzt den Hörgewohnheiten seiner frühen Jugend geschuldet ist, wie er selbst berichtet: "Der an allen Geräten eingestellte Sender war Bayern 1. Oldies und Evergreens war meine Schiene, da liefen zum Beispiel Simon & Garfunkel oder auch die ganzen Austro-Popper. Bis 14, 15, als erste Kassetten mit Punk und Ähnlichem meinen musikalischen Horizont erweiterten, hab' ich eigentlich nichts anderes gehört und bis heute eine großen Liebe zu diesen Sachen."

An der Gitarre freilich, die er von seinem neunten Lebensjahr an erlernte, waren eher Folk- und Bluesrock-Größen wie Stevie Ray Vaughan oder Richie Havens seine Vorbilder. Wie viele Musiker kann auch Kellner auf manische Phasen verweisen, in denen er tagelang nur Gitarre spielte und Mahnungen der Eltern ignorierte, doch mal an die frische Luft zu gehen.

Jedenfalls sagte ihm sein Gitarrenlehrer bald, dass er ihm nichts mehr beibringen könne, er müsse jetzt nur noch üben. Dass Kellner nach der Schreinerlehre keinen Anschluss-Job bekam, war ihm ganz recht: "Die anderen waren viel besser als ich. Die haben dafür gebrannt, während ich auf jeden Fall etwas mit Musik machen wollte." Das funktionierte schnell, und inzwischen hat Kellner mit einer in Benediktbeuren gebauten Meigel-Gitarre auch sein Traum-Instrument gefunden.

Nicht nur in seine Kompositionen flossen zunächst der geradlinige Songaufbau und der rhythmisch betonte Blues amerikanischer Prägung ein, sondern auch in die Texte: Kellner hatte die Lyrics seiner Vorbilder übersetzt und langsam ein Gefühl für deren Sprache bekommen. So war es zunächst ganz natürlich für ihn, auf Englisch zu schreiben und zu singen.

Erst 2014 hatten sich nach und nach Stücke auf Bairisch angesammelt, die Kellner auf dem Album "Hädidadiwari" bündelte - und mit denen er genau die erste Heimatsound-Welle erwischte. "Ich hab' mich erst gefragt, ob ich dazu passe, weil ich eher nicht mit Volksmusik arbeite, sondern einen amerikanischen Sound höchstens in der Tradition einer Spider Murphy Gang spiele. Aber das passte dann offensichtlich gut."

Wer die Geschichten hört, die Kellner zwischen den Songs erzählt, fühlt sich auch an einen weiteren, sehr bayerischen Einfluss erinnert: Fredl Fesl. "Ich hatte drei LPs, die ich auswendig konnte. Bei seinen lustigen Ansagen haben mir die Songs gleich noch mal besser gefallen. Ich finde es öde, wenn eine Band am Anfang Hello und am Ende Bye-Bye sagt. Deshalb versuche ich, das Publikum über Humor mit ins Boot zu holen."

Zur CD-Taufe kommt Kellner mit bewährter Begleitung ins Lustspielhaus: Bassist Andreas Otto Schellinger, Gitarrist Luke Cyrus Goetze und Trompeter Dominik Glöbl sind inzwischen viel mehr als nur seine Band: "Drei von uns haben kleine Kinder, unsere Frauen treffen sich regelmäßig auch über die Bandauszeit hinweg." Und produktiv sind sie auch: Bis Dezember wird das nächste Album fertig sein. Da singt Mathias Kellner dann mal wieder auf Englisch.

Mathias Kellner , Donnerstag, 6. Oktober, 20 Uhr, Lustspielhaus, Occamstraße 8

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Quelle:
SZ vom 06.10.2016
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