Süddeutsche Zeitung

Mitten in Passau:Klatschen verboten: Im Passauer Stadtrat gelten strenge Regeln für Besucher

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Stadtratssitzungen sind für viele nicht unbedingt die spannendsten Veranstaltungen. Sind die Zuschauerreihen mal voll, ist das eine gute Nachricht für die Demokratie. Oder etwa nicht?

Glosse von Lisa Schnell

Viele Menschen interessieren sich nicht für Politik und wenn sie sich für Politik interessieren, dann mögen sie diese nicht, oder besser: die Politiker. Sie sind sogar noch unbeliebter als Journalisten und schon da versucht man in einem gewissen Umfeld besonders undeutlich zu sprechen, wenn es bei einem Zusammensein so dermaßen fad geworden ist, dass man zum Berufe Raten übergegangen ist: "Und was machst Du?"

Noch viel weniger Menschen würden sich freiwillig in eine Stadtratssitzung einer mittelgroßen Stadt setzen, geschweige denn die Ausübung der Demokratie dort mit so einer Leidenschaft verfolgen, dass sie nicht anders können, als zu applaudieren. Genau das aber ist in Passau passiert, als der Stadtrat im Juni über das Bürgerbegehren "Rettet die Passauer Wälder" diskutierte. Befürworter des Bürgerbegehrens zeigten lautstarke Beifallsbekundungen, als ihnen ein Beitrag besonders gefiel.

Man könnte nun selbst vergnügt in die Hände klatschen ob so viel Engagement, man könnte Hubert Aiwanger auf Twitter schreiben: "Von wegen, die Demokratie zurückholen, sie war ja nie weg und da, in Ihrem Niederbayern, geht's ihr ganz besonders gut!" Man lässt es dann, es besteht die Gefahr, dass Aiwanger zurücktwittert und die Welt hat wahrlich genügend Aiwanger-Tweets erleben dürfen. Ganz sicher aber erscheint es einem als eine freudige Nachricht, wenn Demokratie so viel Begeisterung auslöst.

Im Passauer Rathaus allerdings sehen sie das völlig anders. "Stadtratssitzungen sollen grundsätzlich ohne Störungen ablaufen können", teilte die Stadt der Passauer Neuen Presse mit. Laut einem juristischen Kommentar zur Gemeindeordnung dürfen Zuhörer nicht stören. Bleibt die Frage, ob nicht eine mündliche Ermahnung während der Sitzung ausreicht oder ob man rigoroser durchgreifen soll wie in Passau. Dort müssen sich alle Besucher nun einer Taschenkontrolle unterziehen. Denn, so lautet die Begründung, es könnten ja Plakate oder Banner mitgenommen werden.

Das freilich ist bislang nicht geschehen, weshalb manch einer vermutet, die neuerlichen Strapazen für Besucher könnten daher rühren, dass Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) kein Freund des Bürgerbegehrens ist. Viel lieber möchte er um Passau herum anstatt des Waldes ein Gewerbegebiet haben. Dass das nun nicht wenige, sondern sogar astronomisch viele Passauer nicht so sehen, dürfte ihn nicht freuen. Rund 7000 Unterschriften sammelte das Bürgerbegehren gegen Duppers Pläne. Dagegen freilich kann er nichts tun - siehe: Die Demokratie lebt -, aber in seinem Rathaus macht er die Regeln.

Die wenigen Menschen also, die sich für Politik interessieren und von ihnen wiederum die wenigen, die sich für Politik so erwärmen können, dass sie sich in ihrer Freizeit im Sommer in einen Stadtrat setzten - diesen Menschen wird es in Passau jetzt also noch ein bisschen schwerer gemacht, die Politik zu lieben. Bleibt nur die Hoffnung, dass sie es trotzdem tun.

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