Süddeutsche Zeitung

Mitten in Miltenberg:700 Schüler und ihre furchtlosen Lehrer

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Wegen Corona haben viele bayerische Schüler noch nie eine Klassenfahrt erlebt. Ein unterfränkisches Gymnasium reist nun geschlossen nach Rom. Man kann den Schulleiter nicht genug bewundern.

Glosse von Deniz Aykanat, Miltenberg

Fast achteinhalb Prozent der Einwohner der unterfränkischen Stadt Miltenberg haben sich auf den Weg in die ewige Stadt gemacht. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Rom-Pilgerfahrt, obwohl für die Miltenberger auch eine Audienz bei Papst Franziskus auf dem Programm steht, sondern um etwas, das in den vergangenen Jahren nicht enden wollender Pandemie fast in Vergessenheit geraten ist: eine Klassenfahrt.

Die achteinhalb Prozent sind mehr als 700 Schüler des Johannes-Butzbach-Gymnasiums sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer, insgesamt fast 800 Leute, die mit nicht weniger als 16 Bussen nach Rom aufgebrochen sind. Schulleiter Ansgar Stich hat sich das ausgedacht, als Dankeschön für die Schüler und Schülerinnen, die wegen Corona auf so vieles verzichten mussten. Als er die Kinder und Jugendlichen damit überraschte, brach Jubel aus. "Das war der schönste Moment, den ich als Lehrer bisher hatte", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

Man kann diesen Schulleiter nicht genug bewundern, wenn man sich die eigenen Klassenfahrten in Erinnerung ruft. Da wären zum Beispiel die Skifahrten. Als Lehrkraft auf der Piste die Balance zu finden zwischen den Angsthasen, die man den Deppenhügel herunterbegleiten muss und den Kamikaze-Snowboardern, die es für eine gute Idee halten, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen, grenzt an ein Wunder. Überhaupt den Überblick zu behalten, welche von den Wolfskin-Columbia-Northface-Jacken jetzt zur 6b gehören und wer von denen gerade zum Après-Ski abgehauen ist.

Aber es geht ja schon bei der Fahrt los. Bei 16 Bussen steigt die Wahrscheinlichkeit, einen der Schüler am Autogrill zu vergessen, ins Unermessliche. Das gesamte Kollegium ist zwar dabei. Aber allein die Tatsache, dass man bei Mitnahme aller Klassenstufen auch das gesamte Spektrum an Schüler-Unsinn mitnimmt, macht die Sache komplex. Während man - sagen wir bei einer Fahrt nach Weimar mit drei zehnten Klassen - als Lehrkraft vor allem darauf achten muss, dass die schwer Pubertierenden im Bauhaus-Museum keine Kaugummis auf unbezahlbare Mies-van-der-Rohe-Sessel kleben, geht es bei der Wanderwoche der Fünftklässler eher darum, ob der kleine Xaver es schafft, von seiner Gummibärchen-Diät nicht zu brechen. Dazu kommt der Wegfall jeglicher Privatsphäre, wenn mehrere Dutzend Schüler jeden Gang aufs Klo registrieren.

Man kann nur zu einem Ergebnis kommen: Lehrer, die auf Klassenfahrt mitfahren, sind furchtlos. Danke dafür! Und viel Glück und göttlichen Beistand.

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