Süddeutsche Zeitung

Bayerischer Landtag:Hass und Hetze gegen Politiker nehmen zu

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Die politisch motivierten Straftaten gegen Mandats- und Amtsträger wie Politiker oder Richter nehmen zu. Während in Bayern 2017 noch 165 vermerkt wurden, stieg die Zahl 2018 auf 173 an. Im ersten Halbjahr 2019 waren es 76. Das geht aus einer Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hervor. "Ich möchte, dass mehr Menschen sich engagieren und für das Gemeinwesen einsetzen. Deswegen müssen wir als Gesellschaft gegen die Verrohung konsequent und gemeinsam vorgehen", sagte Schulze.

Unter den mehr als 400 aufgelisteten Straftaten von 2017 bis Mitte 2019 finden sich 16 Gewaltdelikte. Darunter sind aufgeführt Erpressungen, Landfriedensbruch und Bedrohungen, aber keine Körperverletzung. Einmal wurde ein Bürgermeister mit Böllern beworfen, ein anderes Mal lockerte ein Tatverdächtiger alle Radmuttern am Auto eines Amts- oder Mandatsträgers. Ein Großteil der Gewaltdelikte beschreibt Erpressungsversuche von Richtern durch "Reichsbürger".

Von 2017 auf 2018 stieg der Anteil der links motivierten Straftaten, während rechts motivierte weniger wurden. In absoluten Zahlen aber werden Amts- und Mandatsträger häufiger von rechts angegriffen. 2017 gab es 80 rechts motivierte Straftaten, darunter vor allem Propagandadelikte oder Volksverhetzung. 14 Straftaten wurden von links motivierten Tätern begangen, meist handelte es sich um Sachbeschädigung. Seit 2017 wurden nur fünf Delikte vermerkt, die aus ausländischer oder religiöser Ideologie begangen wurden. Viele der Angriffe auf Mandats- oder Amtsträger können politisch nicht zugeordnet werden. Die meisten Übergriffe ereigneten sich 2017 und 2018 in Oberbayern, 2019 bislang in Mittelfranken. Da nur der Tatort Bayern erfasst wird und nicht, ob sich eine Tat gegen eine Person mit einem bayerischen Amt oder Mandat richtet, können auch Delikte gegen nicht-bayerische Politiker aufgeführt sein.

Doch auch Kommunalpolitiker und Angestellte in bayerischen Kommunen werden immer öfter Ziel von Anfeindungen, Hass und Hetze. Diese Erkenntnis brachte am Mittwoch zudem eine Expertenanhörung im Innenausschuss des Landtags. Sie fußt jedoch nicht auf Zahlen oder Statistiken, denn davon gibt es bislang wenige.

Sowohl Andrea Gehler vom Städtetag als auch Hans-Peter Mayer vom Gemeindetag sprachen von einer Zunahme der Bedrohungen, online wie offline. Petra Sandles vom Landeskriminalamt sprach von rückläufigen Zahlen, schickte jedoch hinterher: Es gebe ein großes Dunkelfeld, nur 19 Prozent der Fälle würden angezeigt - bei einer Aufklärungsquote von etwa 80 Prozent.

Am stärksten im Visier von Anfeindungen seien Frauen in öffentlichen Ämtern. Stellvertretend berichtete Silvia Kugelmann, Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde in Schwaben. Die parteilose Politikerin hat eigenen Aussagen zufolge mit massiven Anfeindungen zu kämpfen. Diese seien "zerstörend für die Gesundheit und Psyche", sagte sie. Sie ermutigte andere Betroffene deshalb, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen und die Anfeindungen bei der Polizei anzuzeigen.

Die Expertenanhörung fand auf Bestreben der Grünen-Fraktion statt. Mit dabei waren Vertreter aus Forschung, Politik, Polizei und Justiz.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2019 / nell, dpa
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