Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Gertraud Gruber:100 Jahre in Schönheit

Lesezeit: 2 min

Gertraud Gruber gilt als die Gründerin der ersten Beautyfarm Europas. Dabei ging es ihr immer um mehr: ein ganzheitliches Leben. Nun ist die hochdekorierte Unternehmerin und Mäzenin in einem biblischen Alter gestorben.

Von Susanne Hermanski, Rottach-Egern

Die Schönheit ist eine unterschätze Weltmacht. Gertraud Gruber wusste das immer. Es wäre billig, an dieser Stelle nur auf die vielen Politikergattinnen zu verweisen, die sich in den frühen Jahren der Bundesrepublik in ihre Hände gaben - Loki Schmidt und Liselotte Vogel waren 1975 gar in derselben Woche bei ihr. Gertraud Gruber ging es um mehr als das Äußere. Sie hatte schon viel gesehen, als sie 1955 am Tegernsee die erste "Schönheitsfarm" Europas gründete - den Begriff prägt sie in Anlehnung an die Silberfuchsfarm, in die sie mit ihren Behandlungsräumen einzog.

Sie war keine 20 Jahre alt, als sie im Lazarett vor ihr lagen, die jungen, verwundeten Soldaten. Einer, von dem sie später immer wieder in Interviews erzählt, bleibt ihr besonders in Erinnerung: 18 Jahre alt, frisch verliebt und sein Gesicht halbseitig gelähmt. Derart entstellt, soll ihn seine Freundin nicht sehen. Gertraud Gruber, die Ausdruckstänzerin werden wollte vor dem Krieg, zwei Jahre auf Isadora Duncans Schule ging, nun aber Heilgymnastin war, setzte all ihr Können für ihn ein. Die Fortschritte des jungen Mannes bestätigen sie, er wagte sich wieder unter Menschen und unter die Augen der Frau, die er liebt.

Massagen, Lymphdrainagen, Übungen - all das kommt auch später auf Gertraud Grubers Farm zum Einsatz. Die ist zwar keine Kurklinik und doch ganzheitlich ausgelegt. Alles greift dort ineinander. Die Naturkosmetik, die Gruber selbst entwickelt hat, ihr Ernährungskonzept bis hin zu den verwendeten Baumaterialien, die zum Einsatz kommen, als die gebürtige Münchnerin in Rottach am Tegernsee mit ihrem Mann Josef das erste eigene Haus baut.

Sie ist Pionierin in vielerlei Hinsicht. Noch bevor mit den Beatles die erste große Yoga-Welle durch die Lande schwappt, hat sie entsprechende Übungen fest ins Programm aufgenommen. Bis sie weit über 90 Jahre alt ist, gibt sie ihren "Gästinnen" Yoga-Stunden. "Gästinnen", so nennt sie die Frauen - vielleicht in einem frühen Akt des konsequenten Genderns -, die sie auf der Farm beherbergt.

Der einzige Mann, den sie in all den Jahren immer wieder als Gast zulässt, ist der Erinnerung ihrer früheren Mitarbeiterin Irmgard Stephanie Zeiser nach ein österreichischer Pater. "Gertraud Gruber war tief im christlichen Glauben verwurzelt", sagt Zeiser, "doch sie war nie und in keiner Weise dogmatisch."

Als Grubers Behandlungsmethoden schon in 1500 Kosmetikinstituten, Beauty-Farmen und rund 150 Wellness-Hotels weltweit verwendet werden, fühlte sie sich christlichen Grundsätzen unvermindert nah. 2002 investiert sie in die Umwandlung eines maroden Benediktinerklosters in Holzkirchen bei Würzburg zu einem spirituellen Tagungszentrum. "Wir sollten liebevoll und achtsam mit unserem Körper umgehen, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen", sagte Gertraud Gruber.

Meditation, Qi-Gong, Tanz und mehr integriert sie nach und nach in das Programm für ihre Gästinnen. Längst sind das Frauen, die selbst erfolgreich im Beruf stehen, und wie eh und je sind darunter viele Schauspielerinnen, Unternehmerinnen, Politikerinnen. Die Liste ihrer öffentlichen Ehrungen reicht vom Bundesverdienstkreuz bis zum Bayerischen Verdienstorden in Gold.

Geehrt wird sie damit auch für die Arbeit der Gertraud und Josef Gruber Stiftung, gegründet noch vor dem Tod ihres Mannes. Für Schwerkranke baut sie 2004 im Landkreis Miesbach ein Hospiz. In Rottach-Egern unterstützt sie die Kindertagesstätte. Ein Gnadenhof, den sie mitfinanziert, steht eher symbolisch für ihr weitreichendes Engagement für die Umwelt, den Bioanbau und das Tierwohl.

Gertraud Gruber, die nie eigene Kinder hatte, hat immer weit vorausgedacht. Auch ihr Unternehmen hat sie zu Lebzeiten schon schrittweise an eine neue Frauengeneration übergeben. Und anders als andere, die Wasser predigten, führte Gertraud Gruber den Beweis, dass ihr Konzept von einem guten, ganzheitlichen Leben aufgeht. Am Samstag hat sie ihre funkelblauen Augen für immer geschlossen. Im Alter von 100 Jahren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5548162
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.