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Nach den Corona-Lockerungen:Die verzweifelte Suche nach Personal

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Bayerns Gastronomen dürfen wieder Gäste bewirten und sind einigen Problemen ausgesetzt. Die meisten sind durch die Pandemie entstanden - oder haben sich dadurch verschlimmert.

Von Felix Schwarz, Bamberg

Matz Reichardt steht an der Türschwelle des Wirtshauses Eckerts in Bamberg - mitten auf der Regnitz gelegen, rauscht rechts und links das Wasser vorbei. Wehmütig blickt er in die Innenräume und zugleich auf die Zeit vor etwa anderthalb Jahren zurück: ein großer mit Glasfenster versehener Kamin, die Wände aus Eichenholz aus dem Steigerwald und am Tresen zahlreiche Leute, die eng beinander mit dem Hausbier anstoßen. Diese lockere Atmosphäre vermisst der Marketingmann des Eckerts immer noch - und das trotz der Lockerung der Corona-Maßnahmen.

Freilich freut er sich über die zahlreichen Gäste, die seit einigen Wochen wieder kommen dürfen. Doch nicht nur der Mindestabstand drückt die Stimmung: Wie in ganz Bayern sind im Eckerts etwa zwölf Prozent des Personals in der Pandemie weggebrochen. Kann das Hotel- und Gaststättengewerbe nach dem Lockdown also doch nicht durchstarten, weil das Personal fehlt?

"Vor allem die Minijobber und Aushilfskräfte sind abgesprungen. Das bringt viele Betreiber in eine schwierige Situation", sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Die Gründe: Minijobber haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Zudem konnte niemand abschätzen, wie lange die Einschränkungen andauern, die Perspektivlosigkeit bewegte viele zu einem Jobwechsel. Mehr noch: Niemand weiß, ob nicht im Herbst ein vierter Lockdown droht. Die Suche nach Personal bringe Gastwirte und Hoteliers zur Verzweiflung. Zugleich betont Geppert: Der Fachkräftemangel war bereits vor der Pandemie ein Problem.

Das kann Reichardt bestätigen: "Es war schon vorher schwierig, gute Leute zu finden. Aber die Situation hat sich noch mal verschärft." Im Lockdown hätten die beiden Auszubildenden in der Küche gekündigt, weil sie schlicht unterfordert waren - bisher hätten sich für den Ausbildungsstart im September keine Nachfolger finden lassen. Und ein weiterer Faktor spiele eine große Rolle: Weil das Trinkgeld wegfällt, verliert der Beruf an Attraktivität. Reichardt zufolge suchten die meisten in Supermärkten oder in der Logistikbranche ihr Glück. Ob sie zurückkommen? Unwahrscheinlich. "Viele sind immer noch skeptisch. Vielleicht überdenken manche ihre Entscheidung", hofft der Bamberger. Immerhin: Während die Konkurrenz teilweise Öffnungszeiten einschränken muss oder gar nicht aufmachen kann, läuft der Betrieb im Eckerts weitestgehend reibungslos. Trotzdem würde Reichardt mindestens fünf Arbeitskräfte am liebsten sofort einstellen - vor allem Bedienungen.

Unabhängig vom Fachkräftemangel könne allerdings von Normalität noch lange keine Rede sein. Um das Hygienekonzept umsetzen zu können, stehen derzeit lediglich 80 Prozent der Plätze zur Verfügung. Die Konsequenz: Zahlreiche Leute kommen vorbei und werden abgewiesen, weil es keinen Platz mehr gibt - für Reichardt eigentlich unvorstellbar: "Das tut schon weh." Zusätzlich nervt die Registrierung der Gäste und besonders die Maskenpflicht: "Nach einem Tag mit Maske bei Temperaturen über 25 Grad fühlt man sich wie durch den Fleischwolf gedreht." Damit sich die Lage des Eckerts und der gesamten Branche verbessert, wünscht sich der 51-Jährige mehr Planungssicherheit. Es brauche bereits jetzt einen Plan, wie ein vierter Lockdown aussehen könnte. Außerdem: Die Regeln müssten für alle nachvollziehbar und schnell umsetzbar sein.

Thomas Geppert vom Dehoga fragt sich darüber hinaus: Warum dürfen die Betreiber sowohl drinnen als auch draußen nur bis 24 Uhr öffnen? Angesichts der alkoholisierten Menschenmengen, die in bayerischen Großstädten ohne Mindestabstand feiern, müsse diesen Leuten eine vernünftige Alternative geboten werden. Denn: "Die feiern doch sowieso. Dann lieber mit Hygienekonzept in der Disco oder Kneipe", argumentiert Geppert.

Zugleich betont er, dass über die Pandemie hinaus gedacht werden müsste, um den Personalmangel anzugehen. Konkret: Die Begrenzung der Arbeitszeit auf zehn Stunden pro Tag müsse aufgeweicht werden - im Gegenzug könnten sich die Beschäftigten mehr freie Tage nehmen. Die Anhebung der Verdienstgrenzen bei Minijobs sei ebenso unumgänglich. Geppert ist sich sicher: Das würde mehr Arbeitskräfte in die Gastronomie und die Hotellerie locken. Nicht nur im Eckerts hätte man wohl nichts dagegen.

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Quelle:
SZ vom 30.06.2021
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