Süddeutsche Zeitung

Schulen und Corona:Fragen, Fragen und noch mehr Fragen

Lesezeit: 3 min

Lehrer, Schüler und Eltern würden vom Kultusministerium gerne wissen, wie es nun an den Schulen weitergeht. Dieses verweist auf Abstimmungsprozesse, die Opposition wirft ihm Planlosigkeit vor.

Von Anna Günther

An den Schulen herrscht Erleichterung, seit der Corona-Fahrplan der Staatsregierung bekannt ist. Erleichterung, nun endlich zum Ende der Osterferien zu wissen, wie es weitergeht. Bisher hatte das Kultusministerium stets vage auf Szenarien verwiesen. Grundsätzlich sind die Vertreter von Lehrern, Eltern und Schülern auch einverstanden, mit dem Fahrplan: Gesundheit geht vor, nur sehr langsam werden Kinder und Jugendliche in die Schulen zurückkehren.

Aber die Neuigkeiten aus der Staatskanzlei werfen Dutzende neue Fragen auf. Der Wunsch nach einem Konzept aus dem Kultusministerium für die Zeit bis zu den Sommerferien und darüber hinaus ist größer denn je. Zwar sagte Ministerpräsident Markus Söder, dass das Kultusministerium nun ein Konzept erstellen werde. Aber mancher fragt sich, wieso das nicht längst passiert ist.

Sicher ist, dass die Abschluss- und Meisterklassen am 27. April in die Schulen zurückkehren, dann vielleicht am 11. Mai alle, die 2021 ihren Abschluss machen. Voraussetzung ist, dass die Infektionsraten nicht wieder steigen. Dafür müssen die Schulen strenge Hygiene- und Abstandsregeln einhalten. Pro Raum sind maximal 15 Jugendliche erlaubt. Eine Maskenpflicht gilt nur für den Schulbus.

Eine Rückkehr in die Normalität werde es so schnell nicht geben, sagte Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Aber von nun an sollten Lehrer auch "Basiswissen" vermitteln, nicht mehr nur wiederholen. Eine Empfehlung war das Wiederholen, nicht alle Lehrer hielten sich daran. Manche wiederholten, andere nahmen neuen Stoff durch. Eine verbindliche Regel aus dem Ministerium gab es bisher nicht.

"Schön, dass die Schüler wissen, dass sie nächste Woche nicht in die Schule müssen, aber sie wissen immer noch nicht, wo es hingeht", sagt Susanne Arndt, die Vorsitzende der Landeselternvereinigung Gymnasien (LEV). Diese Ungewissheit sei schwierig. Zudem fordert Arndt ein Konzept für "diesen Online-Unterricht", in dem "deutlich klarer ist, was und wie es passieren soll". An einer Umfrage der LEV zum Home-Schooling hatten sich 6000 Eltern beteiligt, die meisten forderten klare, einheitliche Regeln. Die Schere zwischen Schülern aus bildungsaffinen Familien und jenen ohne Hilfe daheim dürfe nicht weiter aufgehen, sagt Arndt. Viele Lehrer teilen diese Sorge. Martin Löwe vom Bayerischen Elternverband fordert deshalb, Leihgeräte der Schulen an Kinder zu verteilen, die keines zur Verfügung haben.

Die Landesschülersprecher Daniel Burger und Joshua Grasmüller wünschen sich, überhaupt mal einbezogen zu werden. Sie schreiben bald ihr Abitur, Burger an der BOS, Grasmüller am Gymnasium. Beide fordern Entgegenkommen beim Prüfungsstoff, bei fehlenden Klausuren und ein Konzept zum Nachteilsausgleich für alle, deren Schulen deutlich länger geschlossen sind. Auch Michael Schwägerl, Chef des Philologenverbands, sieht "eine ganze Reihe offener Fragen zum Abitur", zu groß seien derzeit die Unterschiede, zudem verlieren die Abiturienten nun eine weitere Woche Zeit.

Dass Infektionsschutz ohne Masken eingehalten werden kann, wenn Schüler und Lehrer den ganzen Tag in einem Raum sitzen, bezweifelt Walter Baier, Chef der Direktorenvereinigung. "Ich verstehe es, wenn ältere Lehrer sagen, sie kommen nur, wenn alle Schüler Masken tragen." Dabei fehlen schon die Risikogruppen für den Unterricht. Für Chemie, Kunst, Musik oder Sport müssen Schüler das Zimmer wechseln, wie soll das gehen "und was ist mit dem Sport-Abitur?", fragt Baier. Das sei völlig unklar. "Wir brauchen Nachsteuerung bei Details und Rückendeckung". Er meint aus dem Ministerium.

"Masken nähen wir nicht!", sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands. Sie sieht die Kommunen in der Pflicht, Masken und Desinfektionsmittel, Seife und Handtücher zu beschaffen. Die Schulleiter müssten vom Unterricht befreit werden, um die Notfallpläne zu erstellen. Auch Fleischmann erwartet Rückendeckung, falls Schüler nicht zurückkehren dürfen, weil Räume zu klein, Treppenhäuser zu eng oder Toiletten zu gammelig sind. Piazolo hatte am Donnerstag erklärt, dass Schulleiter und Kommunen für die Einhaltung der Hygieneregeln verantwortlich sind.

Das Fazit der Landtagsopposition fällt deutlich aus: Matthias Fischbach (FDP) nennt Piazolos Ankündigungen eine "Dokumentation der Planlosigkeit", ein Konzept hätte längst fertig sein müssen. Katharina Schulze (Grüne) fordert ein Anrecht auf Notbetreuung für Kinder aus sozial schwachen Familien. Markus Bayerbach (AfD) schlägt einen Aufgabenpool vor, aus dem Lehrer Prüfungsaufgaben auswählen, um so die fehlende Zeit auszugleichen.

Schulminister Piazolo verweist auf "notwendige" Abstimmungsprozesse und bittet um Verständnis und Geduld. Die Einzelheiten werden ausgearbeitet und "so zeitnah wie möglich" bekanntgegeben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4879732
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.