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Mitten in Bayern:Wenn der Blitzermarathon auf den Bahnstreik trifft

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Viele Pendler werden wegen des Warnstreiks am Freitag wohl ins Auto steigen, doch Vorsicht: Auf Bayerns Straßen kontrolliert die Polizei ausgerechnet dann besonders fleißig. Steckt eine dunkle Verschwörung dahinter?

Glosse von Thomas Balbierer

Der Hass gegen das Auto wird immer radikaler. Als muteten Anschnallpflicht, Umweltzonen und Klimakleber deutschen Fahrzeugführern nicht schon genug zu, nehmen ihn nun auch noch Bayerns Innenminister und die Eisenbahngewerkschaft EVG in die Zange. Es riecht nach einem Komplott, der perfide Plan geht so: An diesem Freitag wird der Bahnverkehr in weiten Teilen des Landes stillstehen, weil das Bahnpersonal im Kampf um höhere Löhne streikt. Betroffen sind Fern-, Regional- und Nahverkehr, bis 11 Uhr soll fast gar nichts fahren. Schlimm genug.

Doch ausgerechnet am selben Tag veranstaltet Bayerns Polizei ihren sogenannten Blitzermarathon. 24 Stunden lang macht sie Jagd auf Raser, rund 2000 Polizistinnen und Polizisten sind im Einsatz - von wegen Freund und Helfer. An rund 1800 Messstellen im Freistaat könnten Autofahrer in die Radarfalle tappen. Wegen des Bahnstreiks dürften - so ein Zufall! - besonders viele potenzielle Opfer unterwegs sein. Der Weg zur Arbeit wird zur Spießroutenfahrt, und die Freude am Fahren wird auch dem letzten Porsche-Fan verdorben.

Offiziell gibt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zwar vor, dass es bei der Aktion allein um Verkehrssicherheit gehe - schließlich haben hohe Geschwindigkeiten 2022 mehr als ein Viertel der tödlichen Unfälle verursacht. Um von den wahren Motiven abzulenken, hat das Ministerium sogar die Standorte der Messanlagen online veröffentlicht. Doch im selben Atemzug verrät sich Herrmann mit Sätzen wie diesen: "Unser Blitzmarathon soll wachrütteln, sich unbedingt an die Tempolimits zu halten." Moment, Tempolimit? Davon sprechen sonst nur wahre Autofeinde.

Kritiker der sogenannten Corolla-Maßnahmen (benannt nach dem meistverkaufen Auto der Welt) fürchten, dass der Freitag nur ein Testlauf für weitere Einschränkungen ist. In einer Telegram-Chatgruppe namens "Querfahrer" sorgt eine 15 Jahre alte Spiegel -Meldung für Unruhe, in der sich der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder offen für ein Verbot von Verbrennungsmotoren ausspricht - und zwar ab 2020! Söder erneuerte die Forderung vor einigen Jahren. Wie man aus Regierungskreisen hört, sollen die Pläne für einen Auto-Lockdown fertig in einer Schublade der Staatskanzlei liegen. Nur die Landtagswahl wolle man noch abwarten.

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