Süddeutsche Zeitung

Schule in der Corona-Pandemie:Zum Abi ohne Schnelltest

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Keine Testpflicht, Corona-Quarantäneunterbrechung möglich - die Prüfungsregeln für das Abitur verunsichern viele Lehrerinnen und Lehrer in Bayern. Und das Kultusministerium? Verweist auf "rechtliche Gründe".

Von Lea Weinmann, München

Birgit Schultz dachte erst, es sei vielleicht ein Aprilscherz. Aber dafür kam die Mitteilung des bayerischen Kultusministeriums drei Wochen zu spät: Ende April informierte es die Gymnasien und Kollegs in Bayern darüber, dass Schülerinnen und Schüler nicht dazu verpflichtet seien, vor ihren Abiturprüfungen einen negativen Schnelltest vorzulegen. Und: Wer während des Prüfungszeitraums in Quarantäne sei, dürfe diese unter gewissen Umständen unterbrechen, um dennoch seine Prüfung ablegen zu können.

Keine Testpflicht? Quarantäneunterbrechung? Birgit Schultz sagt: "Das hat mich wirklich umgehauen." Die 56-Jährige ist Lehrerin an einem Gymnasium in München. Ihren richtigen Namen will sie nicht veröffentlicht wissen, aus Angst vor Konsequenzen. Angst hat sie aber auch davor, sich anzustecken. "Es leuchtet mir einfach nicht ein", sagt sie. "Selbst wenn ich einen Blumentopf kaufe, braucht es einen Schnelltest. Und wenn wir sechs Stunden in einem Raum die Prüfung beaufsichtigen, dann nicht?"

Die Nerven liegen blank. Das Papier, in dem die Vorgaben für die Abiturprüfungen festgehalten sind, liegt der SZ vor. An der Stelle, an der es um die Tests geht, sind die Worte "auf freiwilliger Basis" gefettet und zusätzlich unterstrichen worden.

Ein Sprecher des Kultusministeriums nennt vor allem rechtliche Gründe für die Regelung. Im Gegensatz zum Präsenzunterricht sei eine Testpflicht bei Abschlussprüfungen unzulässig. Das Ministerium stütze sich dabei auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 12. April, sagt der Sprecher. Darin stellte das Gericht klar, dass Tests "als bloße Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht ausschließlich freiwilliger Natur" seien - solange sichergestellt sei, dass bei einer Weigerung der Schüler auch Angebote im Distanzunterricht bestünden. Eine Abiturprüfung auf Distanz ist aber nicht möglich.

"Das zu organisieren, ist jetzt schon ein Wahnsinn"

"Wir versuchen, ein Abitur durchzuführen, das rechtssicher ist", sagt der Ministeriumssprecher. Zu groß ist die Sorge, eine gerichtliche Eilentscheidung könne einen Tag vor Prüfungsbeginn alles umwerfen. Das Kultusministerium sieht vor, dass die Getesteten und Nicht-Getesteten in separaten Räumen schreiben. Die nicht positiv getesteten Quarantäneunterbrecher sollten dann nochmals in einem gesonderten Raum untergebracht werden. Warum nehmen Schüler unter Quarantäne nicht gleich den Ersatztermin wahr, der ohnehin für akut Infizierte angeboten wird? "Man muss hier unterscheiden", sagt der Sprecher, "zwischen dem, was sinnvoll wäre und dem, was rechtlich möglich ist."

"Das ist eine schwierige Kiste", sagt auch Fritz Schäffer, Abteilungsleiter Schul- und Bildungspolitik vom Lehrerverband in Bayern (BLLV). Die Situation sei eine Abwägung, und nun sei es an den Schulen, individuelle Lösungen zu finden. Schäffer sagt, "das zu organisieren, ist jetzt schon ein Wahnsinn". Er kann die Sorge verstehen. Deswegen habe er dafür plädiert, auch Gymnasiallehrkräfte frühzeitig zu impfen. "Wenn wir damit früher begonnen hätten, gäbe es das Problem nun nicht."

Lehrerin Schultz reichen die Erklärungen des Ministeriums zumindest nicht aus. Sie fühlt sich im Stich gelassen, "fast wie eine Person zweiter Klasse", sagt sie. Im Gegensatz zu vielen Kollegen ist sie immerhin schon einmal geimpft. Sie hofft, dass das reicht.

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SZ vom 07.05.2021
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