Süddeutsche Zeitung

Bayerisches Kabinett:Seehofer stellt Studiengebühren in Frage

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Die nächste überraschende Volte: Jahrelang setzte sich die CSU für Studiengebühren ein - nun deutet der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer eine Abkehr von dieser Position an. Der Koalitionspartner freut sich. Doch der zuständige Minister sträubt sich gegen die Pläne.

Mike Szymanski und Martina Scherf

In die Debatte um Studiengebühren kommt frischer Wind, und er bläst aus einer unerwarteten Richtung: In der schwarz-gelben Koalition in Bayern gibt es erste Bestrebungen, die Gebühren abzuschaffen. Einen entsprechenden Vorstoß hat jetzt jedenfalls die Generalsekretärin der bayerischen FDP, Miriam Gruß, im Parteipräsidium unternommen. "Mein Ziel ist es, langfristig in Bayern die Bildung kostenfrei anzubieten und zwar von der frühkindlichen bis zur Hochschulausbildung", sagt sie.

In Rücksprache mit dem Präsidium sei die Partei bereit, diese Diskussion jetzt zu führen. Gruß positioniert sich eindeutig: "Wünschenswert wäre es, in einem ersten Schritt noch in dieser Legislaturperiode in Bayern die Studiengebühren abzuschaffen."

Auch CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer äußerte sich gestern in einem Zeitungsinterview kritisch über Studienbeiträge. "Es kann nicht sein, dass wir Gebühren erheben und nicht wissen, wofür wir sie ausgeben", sagte er der Augsburger Allgemeinen. Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) solle im Herbst eine Bilanz vorlegen.

Gruß sagt, man könne nicht länger ignorieren, dass der Freistaat zu den letzten Bundesländern gehöre, die überhaupt noch Gebühren für ein Studium verlangten. Außer Bayern hält nur noch Niedersachsen an den Gebühren fest. Sollte sich Gruß, die zugleich familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion ist, mit ihrem Vorstoß durchsetzen, wäre dies ein Kurswechsel um 180 Grad. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn in Deutschland aufgrund einer ideologisch gefärbten Debatte ein sinnvolles und bewährtes Instrument zur Verbesserung der Studienbedingungen keine Zukunft hätte", hatte Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, betont, nachdem klargeworden war, dass die neue grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg schon im kommenden Wintersemester die Gebühren abschaffen will. Und an diesem Standpunkt hält der Minister auch jetzt fest.

Die Studienbeiträge seien Teil des Koalitionsvertrages, sagt er, ihre Abschaffung führte zwangsläufig zur Verschlechterung der Studienbedingungen. Heubisch glaubt auch nicht, dass sich das Meinungsbild in seiner Partei zugunsten des Vorschlags der Generalsekretärin ändern wird. Die Beiträge seien notwendig zur Finanzierung der Hochschulen.

Auch das Modell der nachgelagerten Gebühren, wie es die Jungen Liberalen jüngst angeregt hatten, sieht Heubisch eher skeptisch. Demnach würden die Gebühren erst mit Eintritt ins Erwerbsleben fällig und erst ab einer gewissen Einkommensgrenze. "Dann müsste der Staat vorfinanzieren, und das ist in der derzeitigen finanziellen Situation nicht drin."

Zwar hatten einzelne Hochschulen des Landes nach den anhaltenden Studentenprotesten jüngst die Studiengebühren gesenkt. Doch weder die Landesregierung noch die Hochschulleitungen wollen auf das Geld verzichten, gerade jetzt, da der doppelte Abiturjahrgang einen neuerlichen Ansturm auf die Fakultäten erzeugt.

Seit Jahren sind die Universitäten unterfinanziert, da sind die zusätzlichen Einnahmen willkommen. Allerdings wurde das Geld gar nicht überall gleich ausgegeben, worüber sich die bayerischen Studentenvertreter vor kurzem erneut ärgerten. Und die Opposition im Landtag beklagt seit langem, dass man nicht einerseits mehr Akademiker wollen, andererseits aber vielen Familien mit den Studiengebühren unzumutbare Belastungen aufbürden könne.

Teile der FDP schließen sich jetzt offenbar dieser Meinung an. "Bildung ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts", sagt Miriam Gruß. Dem widerspricht auch Heubisch nicht. Doch wie der Staat dieser Tatsache Rechnung tragen kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. "Sämtliche Finanzierungsfragen" müssten erst noch geklärt werden, so Gruß. Die FDP sei aber fest entschlossen, bis zur Landtagswahl 2013 Bildung zu ihrem Schwerpunkt zu erklären.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2011
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