Süddeutsche Zeitung

Bayerische Polizisten in Gorleben:"Emotionalisierte Gegner"

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Kühl und nüchtern bleiben: 500 bayerische Polizisten werden an diesem Wochenende helfen, den Castortransport nach Gorleben zu schützen. Landespolizeipräsident Waldemar Kindler spricht über die Risiken des Einsatzes.

Annette Ramelsberger

Der bayerische Landespolizeipräsident Waldemar Kindler ist oberster Polizist des Freistaats und seit Jahren Chef der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Polizei. Er hat gerade mit Bund und Ländern die Sicherheitsstrategie für die Großdemonstration in Gorleben an diesem Wochenende besprochen, an der Anti-Atom-Gruppen aus ganz Deutschland teilnehmen wollen.

Süddeutsche Zeitung: Herr Kindler, Bayern schickt rund 500 Polizisten nach Gorleben. Was erwartet die Beamten da?

Waldemar Kindler: Wir erwarten, dass dort rund 30.000 Menschen an der Auftaktveranstaltung gegen die Castor-Transporte teilnehmen, doppelt so viele wie beim letzten Mal.

SZ: Bereiten Sie sich auf gewalttätige Auseinandersetzungen vor?

Kindler: Wir gehen davon aus, dass sich auch militante Demonstranten unter die friedlichen Bürger mischen. Es ist zu befürchten, dass sich Menschen an den Schienen anketten oder versuchen, die Bahngleise zu untergraben. Das müssen die Polizisten verhindern. Aber sie müssen auch die völlig legitime Demonstration schützen.

SZ: Bayerische Polizisten waren auch bei der Großdemo gegen Stuttgart 21 im Einsatz. Dort gab es Verletzte und danach viel Kritik. Wie sollen sich die Polizisten in Gorleben verhalten?

Kindler: Der Einsatz wird von den Niedersachsen seit dem Frühjahr vorbereitet. Die Leute, die wir schicken, sind erfahrene Polizisten: Bereitschaftspolizei aus Nürnberg und Dachau. Die sind jede Woche irgendwo in Deutschland unterwegs, für den Schutz von Fußballspielen oder beim 1. Mai in Berlin. Die haben oft geübt, wie man kühl und nüchtern bleibt, auch wenn der Gegner stark emotionalisiert ist. Die Bereitschaftspolizei hat die nötige innere Ruhe für solche Situationen.

SZ: Mancher Polizist klagt, er werde für die umstrittene Atomentscheidung der Bundesregierung verheizt.

Kindler: Nein, ich sehe das nicht so! Die Polizei wird nicht missbraucht. Der Name Polizei kommt von politeia, das ist griechisch und bedeutet Staatsgewalt. Das ist unsere Aufgabe.

SZ: Ziehen Sie Lehren aus der Demonstration von Stuttgart?

Kindler: Jeder Einsatz wird nachbearbeitet. Wenn sich Beamte nicht korrekt verhalten haben, geht man dem nach. In Stuttgart tagt ja auch ein Untersuchungsausschuss zu dem Einsatz. Aber für die Taktik ist die Polizei vor Ort verantwortlich. Ich würde mir auch nicht von anderen Bundesländern reinreden lassen, wenn es um das Oktoberfest oder die Sicherheitskonferenz in München geht.

SZ: Rechnen Sie in Zukunft mit mehr Gewalt bei Demonstrationen?

Kindler: Wenn bei jeder Demonstration ein Großaufgebot von Polizei nötig ist, dann wird das schwierig. Ein einzelnes Bundesland kann das auf Dauer allein nicht schaffen. Man braucht schon Erfahrung für solche Großeinsätze. Wir haben es bei der Fußballeuropameisterschaft in Österreich erlebt, da haben uns die Kollegen dort gebeten: Bitte kommts. Weil wir halt viel öfter solche Situationen haben.

SZ: Aber in Bayern ist es doch ruhig, ganz anders als zu Zeiten von Wackersdorf.

Kindler: Hier haben wir derzeit keine Erkenntnisse, dass bei Großdemonstrationen mehr Gewalt auftreten könnte.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2010
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