Süddeutsche Zeitung

Prozess in Bamberg:Mönch gewährt Kirchenasyl - Freispruch rechtskräftig

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In Kitzingen war der Ordensmann bereits freigesprochen worden, nun bestätigt das Bayerische Oberste Landesgericht das Urteil. Die Begründung allerdings fällt anders aus. Das könnte weitreichende Konsequenzen haben.

Von Katja Auer, Bamberg

Es bleibt beim Freispruch für einen Benediktinermönch, der einem Mann aus Gaza Kirchenasyl gewährt hatte, um ihn vor der Abschiebung nach Rumänien zu bewahren. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayOLG) in Bamberg hat am Freitag ein Urteil des Amtsgerichts Kitzingen bestätigt - und gleichzeitig ein wegweisendes Urteil zur Strafbarkeit von Kirchenasyl gefällt. Der 1. Strafsenat stellt fest, dass Geistliche, die ein Kirchenasyl auch nach einem negativen Bescheid des Bundesamtes für Migration aufrecht erhalten, straffrei bleiben können.

Im April 2021 hatte das Amtsgericht Kitzingen den Ordensmann Abraham Sauer vom Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt freigesprochen. Das war deswegen aufsehenerregend, weil es der erste Freispruch wegen der Gewährung von Kirchenasyl in Bayern war. Zwar hatte die Richterin eine Straftat festgestellt, den angeklagten Ordensbruder aber dennoch freigesprochen. Er hatte sich auf einen fundamentalen Gewissenskonflikt berufen und auf Artikel 4 des Grundgesetzes, in dem die Glaubens- und Gewissensfreiheit festgeschrieben ist. Dieses Grundrecht wiege in diesem Fall schwerer als das Strafmonopol des Staates, begründete das Gericht.

Die Staatsanwaltschaft Würzburg hatte Revision eingelegt, deswegen musste nun letztinstanzlich das BayOLG entscheiden. Der Senat bestätigte das Urteil, folgte der Begründung aus Kitzingen aber ausdrücklich nicht. Die Vorsitzende Richterin Susanne Aulinger kündigte eine schriftliche Urteilsbegründung mit grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Gewissensfreiheit und Strafbarkeit an. Der Senat neige aber dazu, "das Handeln aus Gewissensnot nicht als Entschuldigung anzusehen" und daraus eine Straffreiheit zu folgern. Sie würdigte ausdrücklich die Flüchtlingsarbeit, betonte aber, es gehe um die Frage, "ob die Gewissensentscheidung des Einzelnen die eigenmächtige Korrektur von Rechtsnormen" erlaube.

"An dem Urteil kommt man nicht mehr vorbei"

Im Fall von Bruder Abraham allerdings sei das eben nicht die entscheidende Frage, denn dieser habe sich gar nicht erst strafbar gemacht. Es folgte eine komplizierte Aufschlüsselung zu welchem Zeitpunkt ein Asylbewerber legal oder illegal im Land sei, mit dem Schluss, dass der Mann aus Gaza sich mit legalem Aufenthaltstitel ins Kirchenasyl begeben habe. Keine Straftat also und somit auch keine Beihilfe. Als der Mann nach dem negativen Bamf-Bescheid hätte ausreisen müssen und somit illegal in Bayern war, habe für Bruder Abraham aber keine Pflicht bestanden, das Kirchenasyl zu beenden. So habe er nur Beihilfe durch Unterlassen begangen.

Aulinger führte aus, dass es eine Vereinbarung zwischen Staat und Kirchen zum Kirchenasyl gebe, in der das Vorgehen geregelt ist. Dass Menschen gemeldet werden, etwa, und dass ein sogenanntes Dossierverfahren eingeleitet wird, in dem das Bamf den Fall noch einmal überprüft. Damit nehme der Staat das Kirchenasyl nicht einfach hin, sondern kooperiere, und so könne einem Einzelnen wie Bruder Abraham später nicht vorgeworfen werden, dass er sich an die vereinbarten Regeln halte. Und das tat er, er wirkte lediglich nicht aktiv darauf hin, den Mann aus dem Kloster zu werfen. Und dazu sei er auch nicht verpflichtet, sagte Aulinger.

"An dem Urteil kommt man nicht mehr vorbei", sagte Rechtsanwalt Franz Bethäuser, der Verteidiger des Ordensmannes, welcher wegen eines Corona-Ausbruchs im Kloster selbst nicht an der Verhandlung teilnehmen konnte. Im Prinzip bedeutet das, dass straffrei bleiben kann, wer sich beim Kirchenasyl an die Regeln hält.

Zuletzt gab es immer wieder Verfahren gegen Priester und Ordensleute, weil diese Kirchenasyl gewährt hatten. 2020 wurden nach Angaben des Justizministeriums 27 und im vergangenen Jahr 43 Verfahren gegen Kirchenangehörige eingeleitet. In insgesamt sechs der in beiden Jahren eingeleiteten Verfahren sei Anklage erhoben worden.

Auf ihren Prozess wartet noch Mutter Mechthild Thürmer, die Äbtissin der Benediktinerinnen-Abtei in Kirchschletten. Auch sie nahm Menschen auf, auch sie wollte keinen Strafbefehl akzeptieren. Das Amtsgericht warnte gar vor einer "empfindlichen Freiheitsstrafe", die drohen könnte. Das ist nun etwas unwahrscheinlicher geworden. Mutter Mechthild verfolgte den Prozess am Freitag im Gericht - und zeigte sich zuversichtlich nach dem Urteil.

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