Süddeutsche Zeitung

Unterfranken:Deutsche Bahn will Bahnhof verkaufen - Bad Kissingen bangt um Unesco-Titel

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Oberbürgermeister Dirk Vogel kritisiert, dass das Gebäude "klammheimlich" und an der Stadt vorbei veräußert werden solle. Den lang ersehnten Welterbe-Titel führt die Stadt erst ein knappes Jahr.

Von Clara Lipkowski, Bad Kissingen

"Repräsentatives Bahnhofsgebäude zu verkaufen", heißt es im Exposé der Deutschen Bahn etwas lapidar, dazu eine Frontalansicht des Eingangs, leicht schräg und ein bisschen unscharf fotografiert, ein paar Lichtflecken auf der Linse. Dazu recht überschaubare Angaben: Grundstücksgröße knapp 2600 Quadratmeter, saniert zuletzt 2008/2009, Energieausweis - keine Pflicht.

Repräsentativ, ja, das kann man wohl so stehen lassen. Das Bahnhofsgebäude von Bad Kissingen stammt von 1874, steht unter Denkmalschutz und dient seit jeher Gästen, die zum Erholen in die traditionsreiche Kurstadt kommen. Oder wie es ein, nun ja, alles andere als begeisterter Oberbürgermeister schreibt, in die "Welterbestadt." Denn der Bahnhof ist Teil dieses Unesco-Weltkulturerbes, kein Jahr ist die Prämierung alt und das Bahngebäude war nicht nur Teil der Bewerbung, es wurde auch bei der Prämierung berücksichtigt. Jetzt, durch den Verkauf, fürchtet OB Dirk Vogel (SPD), könnte der Titel der Stadt wieder abhanden kommen.

Im Juli 2021 erst war Bad Kissingen mit zehn anderen europäischen Städten (unter anderem Karlsbad in Tschechien und Vichy in Paris) zur "bedeutenden Kurstadt Europas" aufgestiegen. Für die Stadt mit ihren vielen Heilquellen, historischen Bauten, Wandelhalle und Kurgarten, eine lang ersehnte Auszeichnung. Der Bahnhof steht in einer Schutzzone der Erbestätte mit besonders hoher Dichte wichtiger Bauten, Freiflächen und Infrastruktur. Im Gebäude selbst ist das "Fürstenzimmer" ein Hingucker, ein Saal, der schon früher adligen Reisenden als Aufenthaltssaal vorbehalten war und bis heute mit seinem Prunk punktet. Immerhin, jener Saal findet eine Erwähnung im DB-Exposé. Das Zimmer sei "vermutlich das einzige in Bayern noch bestehende dieser Art." Sonst keine Erläuterung, dass der Bahnhof zum Unesco-Titel beitrug. Stattdessen die Notiz, dass Bad Kissingen gut über die BAB 7 und 71 erreichbar ist. Der OB ist nicht amüsiert.

Er hat einen Brandbrief verfasst, der der SZ vorliegt. Adressiert direkt nach Berlin, zu Händen Berthold Huber, Vorstand Personenverkehr. Der Bahnhof und das Gelände seien "ein hochrangiges Denkmal und elementarer Bestandteil unseres Unesco-Weltkulturerbes", schreibt Vogel. Über zwei Seiten verschafft er sich Luft: Der Verkauf "soll offenbar klammheimlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vorbei an der Stadt vollzogen werden." Er schreibt von einer "Treuhandmentalität". "Vielleicht", meint Vogel, "haben Sie letztes Jahr die bis in die Tagesschau zu verfolgende Berichterstattung dazu gesehen." Doch die DB und damit der Bund entzögen sich der Verantwortung für das Erbe.

Die Bahn reagiert knapp. Eine Sprecherin meint, man sei mit der Stadt im Austausch, der Verkauf lange geplant. Die Kommune habe zudem ein Vorkaufsrecht. Klingt gut, jedoch will die Stadt gar nicht kaufen. Man könne nicht einfach so im Haushalt das Geld für einen Bahnhof locker machen, teilt ein Sprecher mit, und durch sämtliche Gremien müsse das Ganze auch. Die Frist im Exposé war knapp: Am 17. Juni 2022 ist sie abgelaufen. Die Bahn habe vor wenigen Wochen über die Verkaufspläne informiert, sagt der Sprecher. Auf städtische Interventionen sei aber nicht reagiert und das Angebot online gestellt worden. Nun gilt: Verkauf gegen Höchstgebot.

Ob die Bahn den Unesco-Titel beim Angebot berücksichtigt habe? Darauf keine Antwort. Aber wer kauft einen Bahnhof? Tatsächlich sind solche Verkäufe keine Seltenheit. Manchmal gehen alte Bahnhofsgebäude an bahnliebende Privatleute, manchmal richten Physiotherapeuten darin Praxen ein oder Investoren bauen Wohnungen hinein, zentrale Lage inbegriffen.

Die Stadt fordert nun nachdrücklich eine Beteiligung am Auswahlprozess. Die Sorge: Man weiß schlicht nicht, wer den Bahnhof kaufen könnte und was jener Käufer oder jene Käuferin vorhat. Je nachdem könnte das Welterbe wackeln. Und einen Fall wie Dresden, der Stadt, der auf spektakuläre Weise 2009 der Titel aberkannt worden und so nicht nur Prestige, sondern auch Geld aus dem Fördertopf entgangen war, will man tunlichst vermeiden.

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