Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Auf der A 8 darf weiter gerast werden

Lesezeit: 2 min

Von Thomas Balbierer, München/Augsburg

Da ist zum Beispiel der schwere Unfall vor ein paar Tagen. Auf der A 8 zwischen Sulzemoos und Dachau kamen kurz vor 16 Uhr zwei Autos von der Fahrbahn ab, überschlugen sich und landeten im Acker. Eines der Fahrzeuge blieb auf dem Dach liegen. Die Verletzten wurden von Rettungswagen und einem Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Die Strecke musste teilweise gesperrt werden, so berichtet es der Kreisfeuerwehrverband Dachau auf seiner Website.

Verursacht wurde der Unfall wohl von einem rücksichtslos überholenden Fahrer mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 Stundenkilometern. Großeinsätze auf der Autobahn zwischen München und Augsburg sind für die Einsatzkräfte in der Region längst Routine. Die übersichtliche und breite Strecke ohne Tempolimit sehen Raser immer wieder als Einladung zum Vollgasgeben.

Zwischen 2014 und 2017 ist die Zahl der Verkehrsunfälle auf dem bayerischen Teil der sechsspurig ausgebauten A8 laut Innenministerium von 1668 auf 1839 im Jahr gestiegen. Viele Unfälle werden durch Geschwindigkeiten von mehr als 130 Stundenkilometer verursacht. Deshalb bereitet das bayerische Verkehrsministerium derzeit die Einrichtung sogenannter Verkehrsbeeinflussungsanlagen vor. Die modernen Schilderbrücken sollen den Verkehr flexibel steuern und zeigen zum Beispiel bei Regen oder schlechter Sicht Geschwindigkeitsbegrenzungen an.

Die Anlagen sind nicht nur modern, sondern auch teuer. Das Verkehrsministerium rechnet mit Kosten von einer halben Million Euro pro Kilometer je Richtung. Geplant ist der Ausbau derzeit für den etwa 50 Kilometer langen Abschnitt der A 8 zwischen München/Eschenried und Neusäß. Rechnet man die Angaben des Ministeriums hoch, kommt man auf etwa 50 Millionen Euro. Das Geld kommt vom Bund, er ist für Autobahnen zuständig. Der Bau der Schilderbrücken soll 2022 beginnen und wird voraussichtlich drei Jahre dauern.

Wie geht es bis dahin auf der A 8 weiter? Ein provisorisches Tempolimit, um die Unfallzahlen zu senken, sei derzeit nicht geplant, teilt das Innenministerium mit. Die für derartige Maßnahmen zuständige Unfallkommission werde die Situation jedoch "weiter aufmerksam beobachten". Dabei sind die Zahlen eindeutig: Allein auf der Strecke zwischen Adelzhausen und Zusmarshausen passierten 2018 fast 100 Unfälle mehr als 2017, teilt das Polizeipräsidium Schwaben Nord mit - ein Anstieg um zehn Prozent. Die Zahl der Verletzten nahm dort sogar um 19 Prozent zu. Auch hier spielen hohe Geschwindigkeiten eine entscheidende Rolle, heißt es von der Polizei: "Mehr als jeder Dritte dieser verletzten Personen verunfallte hierbei mit einer nachgewiesenen Geschwindigkeit von mehr als 130 Stundenkilometern."

Angesichts dessen stellt sich die Frage nach einem festen Tempolimit auf besonders unfallträchtigen Abschnitten der A 8, ganz klassisch mit runden Blechschildern. Doch davon will das Innenministerium nichts wissen. "Nach unserer Beurteilung sind die Voraussetzungen für ein generelles und dauerhaftes Tempolimit mit Blechbeschilderung auf der A 8-Strecke nicht gegeben", teilt ein Sprecher mit. Ein allgemeines Tempolimit komme nur in Ausnahmen zum Einsatz. "Die A 8 ist nach den modernsten Standards trassiert und ausgebaut worden."

Stattdessen rühmt das Ministerium die "dynamischen und flexiblen Schaltungen" der Schilderbrücken und weist auf ein nicht weniger gewichtiges Argument hin: "Im Übrigen ist die Akzeptanz flexibler Geschwindigkeitsbeschränkungen bei Autofahrern größer." Ein allgemeines Tempolimit könnte man den Autofahrern also schlecht zumuten - selbst, wenn es Unfälle wie den vor ein paar Tagen verhindern würde.

Das Wetter an jenem Tag war übrigens frühlingshaft, die Sicht war gut. Kein starkes Argument für die neue "Verkehrsbeeinflussungsanlage".

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Quelle:
SZ vom 08.04.2019
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