Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:100 Millionen für Augsburg

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Die Staatsregierung präsentiert für die kriselnde Industrieregion ein Hilfspaket. Damit sollen Künstliche Intelligenz und Wasserstofftechnik gefördert werden - und so die Stadt zukunftsfähig machen.

Von Andreas Glas, Augsburg

Markus Söder reibt sich die Hände, als er sich unter dem Türstock hindurch ins Fürstenzimmer des Augsburger Rathauses duckt. Es ist ein Termin nach Söders Geschmack, der an diesem Donnerstag in seinem Kalender steht. Es geht um eines der Lieblingsthemen des Ministerpräsidenten, um Künstliche Intelligenz. Und er hat gute Nachrichten mitgebracht, dazu viel Geld. Er wolle Augsburg "einen Technologiesprung" geben, sagt Söder (CSU). Das Programm, das er den Journalisten gleich präsentieren wird, sei ein "echter Kick" für Augsburg.

100 Millionen Euro. Das ist der Betrag, mit dem der Freistaat die Wirtschaft in Bayerns drittgrößter Stadt zukunftsfähig machen möchte. Eine Stadt, die schwer "gebeutelt" ist, wie Söder das formuliert. Erst sperrten Osram und Ledvance ihr Werk in Augsburg zu, auch Fujitsu will hier nicht mehr fertigen. Und jetzt, in der Corona-Krise, planen auch noch der Motorenhersteller MAN und der Luftfahrtzulieferer Premium Aerotec, Stellen zu streichen. Man werde nicht alle Arbeitsplätze, die in Augsburg wegfallen, "eins zu eins" ersetzen können, sagt Söder. Bei dem 100-Millionen-Euro-Programm gehe es vor allem darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Region für die nächste Generation "attraktiv zu halten". Das sei schon ein "wirklich wuchtiges Programm", sagt Söder über seine Pläne für Augsburg.

Das meiste Geld dieses Programms, rund 90 Millionen Euro, soll nach den Plänen der Staatsregierung in ein Zentrum für Künstliche Intelligenz (KI) fließen, an dem das Fraunhofer Institut, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Mittelstand beteiligt sein sollen. Mehr Lehrstellen, verspricht Söder, "eine intensive Startup-Förderung", einen eigenen "KI-Startup-Park" für Augsburg. Auch in die Wasserstofftechnologie werde der Freistaat dort investieren, "eine große Wasserstoffpilotanlage" bauen und die Brennstoffzellentechnologie für Lastwagen voranbringen. Für all das gebe es in der Region "kongeniale Partner" aus Industrie und Mittelstand.

Darüber hinaus verspricht Söder, die Augsburger Universität "massiv" zu unterstützen. Zum einen soll der Neubau des Rechenzentrums beschleunigt werden, er soll im kommenden Jahr beginnen. Zum anderen sollen insgesamt 60 neue Stellen für Professoren im Bereich Technologie und Hightech entstehen. Davon sind 18 bereits ausgeschrieben, im kommenden Jahr sollen dann weitere 42 neue Stellen dazukommen. Der Staat, sagt Söder, lasse Augsburg "nicht alleine". Das millionenschwere Programm bezeichnet er als "Bekenntnis in schwieriger Zeit".

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist mit nach Augsburg gekommen, um die Pläne vorzustellen. Das Programm der Staatsregierung werde dafür sorgen, "dass Augsburg nicht der Boden unter den Füßen wegrutscht", sagt er. Auch Eva Weber (CSU), die Augsburger Oberbürgermeisterin, gibt sich sehr zufrieden. Sie zählt noch mal all die Firmenschließungen und Stellenabbaupläne auf, mit denen ihre Stadt in den vergangenen Monaten und Jahren konfrontiert gewesen ist. Das geplante KI-Zentrum greife "genau die Kompetenzen auf, die wir am Standort haben".

Was der Freistaat in Augsburg plant, fügt sich in Söders Pläne, die bereits beschlossene Hightech-Agenda zu beschleunigen. Vor gut einer Woche hatte er verkündet, dass an Bayerns Hochschulen bis April 2021 insgesamt 1800 neue Stellen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ausgeschrieben werden sollen - früher als dies zunächst geplant war. Die Opposition im Landtag allerdings bezweifelt, dass es gelingt, die angekündigten 100 KI-Professuren zu besetzen. "In der Krise muss man investieren", sagt Söder bei seinem Aufritt in Augsburg.

Dort hat er am Donnerstag fast nebenbei auch die neue Außenstelle des Bauministeriums eingeweiht, wo inzwischen bereits 60 Mitarbeiter ihre Büros bezogen haben. Bis 2030 sollen rund 200 der insgesamt 580 Beschäftigten des Ministeriums in Augsburg arbeiten. Diese Maßnahme ist eine von mehreren Behördenverlagerungen, die Söder zu Jahresbeginn angekündigt hatte. Die neue Außenstelle des Bauministeriums sei auch ein Signal, damit junge Menschen "sehen, wenn ich an die Spitze der Verwaltung will, dann geht das nicht nur in München, sondern auch in Augsburg", das der Ministerpräsident nun auf "Augenhöhe von Nürnberg und München" sieht. Ganz im Duktus ihres Chefs spricht dann auch Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) am Donnerstag von einem "klaren Bekenntnis zur Stärkung von Augsburg und Schwaben".

Derzeit arbeiten die Augsburger Mitarbeiter des Ministeriums noch im ehemaligen Telegrafenamt, einem Gebäude im Stadtjägerviertel in der Nähe des Hauptbahnhofes. Dieser Standort soll aber nur eine Übergangslösung sein. Für die Zeit nach dem Jahr 2022 sucht der Freistaat derzeit noch nach einer dauerhaften Bleibe für die neue Außenstelle. Nach Nürnberg und München ist Augsburg nun die dritte Stadt, in der die Staatsregierung Ministerien unterhält.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2020
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