Süddeutsche Zeitung

Mitten in Augsburg:Die Römer kehren zurück - aber nur digital

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Augsburg will sein römisches Erbe per App auferstehen lassen. Das ist ja ganz nett, doch eigentlich verdiente die große Geschichte der Stadt etwas ganz anderes.

Von Florian Fuchs

Die Römer sollen bald auferstehen in Augsburg, per App. "Digitales Erlebnis Römer in Augsburg" heißt das Projekt, das die römische Epoche für Augsburger und Besucher der Stadt zumindest virtuell erlebbar machen soll. Augusta Vindelicum war über Jahrhunderte die größte Siedlung der römischen Provinz Raetien, also dem Gebiet zwischen Passau, Konstanz, Brixen und dem Limes bei Weißenburg - und ist damit eine der bedeutendsten archäologischen Stätten dieser Epoche in Deutschland. Exakt 208 500 Euro lässt der Freistaat für die Entwicklung der App springen. Für die Augsburger Museumlandschaft ist es trotzdem nicht einmal ein Trostpflaster.

Seit vielen Jahren hat die Römerstadt Augsburg kein Römermuseum mehr, seit der Standort in der Dominikanerkirche aus statischen Gründen schließen musste. Stattdessen hat die Stadt ein provisorisches Museum eingerichtet, das als Ausstellungsort dem Wert der Funde nicht annähernd gerecht wird. Es ist, als würde die Stadt das Stadion des Bundesligisten FC Augsburg schließen, dessen Profis von nun an auf einer Bezirkssportanlage vor ein paar hundert Zuschauern spielen müssten.

In den anderen großen deutschen Römerstädten wie Trier oder Xanten käme niemand auf die Idee, das historische Erbe und sein touristisches Potenzial derart brach liegen zu lassen. Augsburg schmückt sich lieber mit dem 2019 erworbenen Welterbetitel "Wassermanagement-System", weiß aber bis heute nicht so recht, was es damit anfangen soll. Werbung für die Stadt ist der sperrige Titel bislang jedenfalls nicht.

Augsburg hat die Fuggerei, die ist international bekannt. Und die Puppenkiste, wobei das auch so eine Institution ist, die Augsburg manchmal arg stiefmütterlich behandelt. Und dann hätte es Exponate aus der Römerzeit von internationalem Format. Silberschatz, Waffen, Werkzeuge, Schmuck: Andere Städte würden für nur einen der Augsburger Römerfunde ein Museum bauen, hat der Stadtarchäologe einmal gesagt. Augsburg dagegen hat seit 2009 ein Konzept für ein neues Museum, nur kein Geld und keinen politischen Willen, eines einzurichten. Und auch der Freistaat duckt sich weg. Die App, die gerade in einer Mitteilung der Stadt groß beworben wurde, ist sinnvoll und richtig, aber Standard moderner Museumsvermittlung. Eigentlich braucht es erst ein Museum und dann eine App. Augsburg geht den umgekehrten Weg - wobei unklar ist, wann jemals ein Museum kommen soll.

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