Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Augsburg bekommt eine Kasperl-Ampel

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Von Christian Rost, Augsburg

Es gibt ihn als T-Shirt-Aufdruck und als Schmuckanhänger, seine Geschichten sind als Filme und Hörspiele erschienen. Und natürlich ist er Ensemblemitglied der Augsburger Puppenkiste. Auch beim Frühjahrsputz der Stadt war der Kasperl heuer dabei, um die helfenden Kinder moralisch zu unterstützen. In Augsburg geht eben nichts ohne die lustige Figur, die bei der Puppenkiste von Anfang an dabei ist, nie ein Blatt vor den Mund nimmt und auch wirklich jedem in tiefstem Augsburgerisch seine Meinung sagt, wie ihn das Theater selbst charakterisiert. Nun wird dem Kasperl eine besondere Ehre zuteil: Die Stadt wird ihn als Ampelmännchen verwenden und erhofft sich von dem Marketing-Gag eine "schöne Werbung", wie Elisabeth Rosenkranz, Sprecherin im Rathaus, sagt.

Besondere Ampelmännchen haben bereits andere Städte. Schon seit den Achtzigerjahren weisen in Erfurt ein Wandersmann mit Rucksack und Wanderstock, eine Figur mit Regenschirm oder ein Schulanfänger mit Zuckertüte die Fußgänger bei Grünlicht zum Gehen und bei Rotlicht zum Stehen an. Im dänischen Fredericia werden sogar Soldaten als Ampelmännchen verwendet, um an eine Schlacht zu erinnern. In München sind jeweils rund um den Christopher-Street-Day schwule und lesbische Pärchen auf den Ampeln zu sehen, und in Mainz leuchten seit dem vergangenen Jahr die Mainzelmännchen in Grün und Rot.

Dies brachte die Redaktion des Augsburger Fernsehsenders a.tv auf die Idee, dem Kasperl stellvertretend für die Puppenkiste als Wahrzeichen der Stadt ebenfalls zu einem Auftritt im Straßenverkehr zu verhelfen. Die Redaktion habe Oberbürgermeister Kurt Gribl während eines Interviews darauf angesprochen, und der Rathauschef sei nicht abgeneigt gewesen, wie a.tv-Programmchef Jan Klukkert berichtet.

Nun kann sich eine Kommune nicht einfach aussuchen, welche Figuren sie an ihren Lichtzeichenanlagen anbringt. Wer von der Norm abweichen möchte, braucht eine Genehmigung, und die hat die Regierung von Schwaben jetzt der Stadt Augsburg erteilt. Voraussichtlich schon Ende Juni grüßt der Kasperl in Augsburg die Fußgänger von einer Ampel herab. Als Standort ist die Ecke Spitalgasse/Milchberg vorgesehen, nur wenige Meter von der Augsburger Puppenkiste entfernt. So werden die Besucher des Theaters künftig beim Überqueren der Straße vom Kasperl angeleitet.

Wie die Kasperl-Ampel genau aussehen wird, steht noch nicht fest. Momentan tüfteln Grafiker am Erscheinungsbild und haben dafür den Originalkasperl in der Puppenkiste studiert. Theaterchef Klaus Marschall sagte in einem Interview, er sei begeistert von der Idee. Das Vorhaben zeige die Verbundenheit von Stadt und Puppenkiste. Er mahnt aber an, dass der Ampel-Kasperl unbedingt eine Zipfelmütze tragen müsse. Das sei das Mindeste. Die Kosten für die Umrüstung der Ampel halten sich mit 1000 Euro in Grenzen.

Während sich die Augsburger schon bald über ihre Kasperl-Ampel freuen können, müssen sich die Bamberger noch ein wenig länger gedulden. Was der Kasperl für die Schwaben ist, ist das Sams für die Oberfranken. In der Heimatstadt des Autors der Sams-Bücher, Paul Maar, wird das freche Wesen mit Taucheranzug und Wunschpunkten deshalb ebenfalls einen Ampel-Auftritt bekommen. Zum 80. Geburtstag von Paul Maar im Dezember soll es endlich so weit sein.

Dass man mit Ampelfiguren auch allerhand Schindluder treiben kann, zeigte übrigens eine Künstlergruppe in Prag. Sie brachte statt des stehenden und des gehenden Ampelmännchens 50 humpelnde, kriechende, trinkende oder pinkelnde Gestalten an. Viele Prager fanden das lustig, die Stadt aber nicht. Der Leiter der Künstlergruppe wurde angezeigt.

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Quelle:
SZ vom 29.04.2017
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