Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Albanerin und drei Kinder trotz Attest abgeschoben

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Von Dietrich Mittler, München

Zweimal bislang hatten Ärzte die Abschiebung einer im Transitzentrum Manching/Ingolstadt lebenden psychisch kranken Frau und ihrer drei Kinder verhindert. Am Dienstag half der Frau aus Albanien auch das neue Attest nicht mehr, das ihr eine Reiseunfähigkeit bescheinigt. Das Verwaltungsgericht München lehnte einen Antrag auf Aussetzung der Abschiebung ab.

Das vor wenigen Tagen erst vorgelegte Attest überzeugte das Gericht nicht. Noch am Vormittag wurde die Frau mit ihren Kindern in eine Maschine nach Tirana gesetzt. Der Familienvater befindet sich nach wie vor in Bayern. Er war nicht da, als Polizeibeamte am frühen Morgen die Frau und ihre Kinder zur Abschiebung abholten.

Das Schicksal der fünfköpfigen Familie hatte zuvor schon für Aufsehen gesorgt - nicht zuletzt deshalb, weil ein im Kreis Rosenheim lebender Kinder- und Jugendarzt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Zentralen Ausländerbehörde Oberbayern sowie gegen dessen Mitarbeiter eingereicht hatte.

Unter anderem hätten diese durch ihr Vorgehen die Gesundheit eines knapp zwei Jahre alten Mädchens massiv geschädigt. Das jüngste Kind der Albanerin habe auf den Polizeieinsatz beim ersten Abschiebeversuch im März traumatisiert reagiert - mit Nahrungsverweigerung und selbstverletzendem Verhalten. Es wurde deshalb eine Zeitlang stationär behandelt.

Nach Angaben der Anwältin, die die Familie vertritt, sei der Zustand des Mädchens mittlerweile stabil. Die Mutter aber sei nach wie vor nicht reisefähig. Dies jedoch sah das Verwaltungsgericht anders. Die vorgelegten Atteste genügten "nicht den rechtlichen Anforderungen", befand die 9. Kammer. Mit dem Facharzt, der das Attest ausgestellt hatte, ging die Kammer hart ins Gericht. Dieser sei "hinsichtlich der Gefälligkeitsgutachten amtsbekannt".

Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisierte die involvierten Behörden. "Bei Gefährdern gibt der Staat sich hilflos, aber gegenüber kranken Frauen und Kindern wird das ganze Gewaltpotenzial zur Anwendung gebracht", sagte Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Flüchtlingsrats. Ein Sprecher der Regierung von Oberbayern erklärte indes, die Familie sei seit August 2016 zur Ausreise verpflichtet gewesen. Sie sei dem aber nicht nachgekommen. Abschiebeverbote seien im konkreten Fall "nicht ersichtlich". Daran habe das jüngst vorgelegte Attest nichts geändert.

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SZ vom 02.08.2017
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