Süddeutsche Zeitung

Architektur:Nürnberg für Fünfzigerjahre-Enthusiasten

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Von Claudia Henzler

Es ist nicht so, dass die Fünfzigerjahrearchitektur in Nürnberg ein Schattendasein fristen würde. Gebäude aus dieser Zeit prägen bis heute das Bild der im Krieg weitgehend zerstörten Stadt. Einer der auffälligsten Bauten ist sicher das 15-stöckige Hochhaus am Plärrer, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Altstadt.

Als es 1953 für die Nürnberger Stadtwerke errichtet wurde, war es mit 56 Metern das höchste Gebäude Bayerns und ein Symbol des Wiederaufbaus. Seit 1988 steht es unter Denkmalschutz, denn der Skelettbau aus Stahlbeton gilt als ein Klassiker der Nachkriegsmoderne. Derzeit wird es für etwa 50 Millionen Euro aufwendig saniert.

Geplant wurde das Plärrer-Hochhaus von Wilhelm Schlegtendal (1906 - 1994), der in der NS-Zeit als Nürnberger Stadtbaurat tätig war, was seiner Nachkriegskarriere aber nicht schadete. Gemeinsam mit dem Architekten Heinz Schmeißner (1905 - 1997) entwarf er den Masterplan für den Wiederaufbau Nürnbergs und zeichnete außerdem für viele einzelne Bauwerke verantwortlich, darunter Wohnblocks, die heute wohl nurmehr Fünfzigerjahre-Enthusiasten gefallen. Aufnahmen davon sind zurzeit in einer Sonderausstellung im Nürnberger Museum Industriekultur zu sehen. Etwa 80 Fotografien des Nürnbergers Claus Baierwaldes zeigen Beispiele der Fünfzigerjahre-Architektur.

Sep Ruf (1908 - 1982) ist der zweite Name, der Besuchern in dieser Ausstellung immer wieder begegnet. Das ist wenig überraschend, stammen von dem bekannten Architekten und späteren Präsidenten der Münchner Kunstakademie doch einige noch heute gefeierte Werke: Seine transparente Pavillonarchitektur für den Neubau der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, die in den Jahren 1952-54 entstand, zählt zu den wenigen Juwelen der frühen Nachkriegszeit und wurde früh unter Denkmalschutz gestellt.

Ruf, der vom Bauhaus-Stil inspiriert war, steuerte auch zum Germanischen Nationalmuseum einen Neubau bei und plante die Bayerische Staatsbank (1950 - 1951) in Nürnberg, heute Sitz des Heimatministeriums. In München trägt unter anderem der Tucherpark seine Handschrift.

Neben sehr bekannten Gebäuden hat Baierwaldes bei seinen Streifzügen durch die Stadt viele Kleinode fotografiert, etwa Pavillons in der damals typischen Ovalform, Kioske und Tankstellen. Die Aufnahmen von Flachdächern und kühnen Konstruktionen zeigen, welche Wirkung die Nachkriegsmoderne mit ihren neuen Materialen Eisen, Stahlbeton, Glas und Aluminium im Idealfall haben konnte: Klare Linien, helle, luftige Räume. Baierwaldes hat in seiner vierjährigen Spurensuche die ansprechenden Seiten und Details der Nachkriegsarchitektur ins Bild gesetzt.

Vollständig ist seine Dokumentation, die leider komplett auf Hintergrundinformationen verzichtet, dabei nicht. Manches Bauwerk konnte er aber vor dem Vergessen bewahren, einige der Tankstellen sind inzwischen verschwunden. Dieses Schicksal bleibt einer denkmalgeschützten Shell-Station aus dem Jahr 1958 zwar erspart, doch sie steht schon lange leer. Das Kaufhaus am Aufseßplatz mit seiner wabenartigen Fassade aus Beton-Gusssteinen soll dagegen bald abgerissen werden.

"Architektur der 1950er-Jahre in Nürnberg, Fotografien von Claus Baierwaldes", bis 30. April im Museum Industriekultur Nürnberg.

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Quelle:
SZ vom 27.03.2017
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