Süddeutsche Zeitung

Altötting:Für die Tonne

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Der Landrat wehrt sich seit Jahren gegen gegen das Einsammeln von Biomüll - vergebens

Von Matthias Köpf, Altötting

Damit etwa Essenreste nicht festfrieren, sollte der Boden des Biomüllbehälters mit aufsaugfähigem Papier, Eierkartons oder Ästen ausgelegt werden. Mit solchen Tipps bedenken viele Landkreise und kommunale Entsorgungsunternehmen allwinterlich ihre Bürger und Kunden. Für die Menschen im Landkreis Traunstein sind diese Hinweise, die ihnen ihr Landratsamt vor ein paar Tagen zukommen ließ, aber tatsächlich neu. Denn nach jahrelanger Diskussion hat der Landkreis Traunstein erst im Dezember allen Haushalten Biotonnen vor die Tür gestellt. Weil auch die Städte Rosenheim und Coburg vor einer Weile wenigstens irgendwo Container für den Biomüll aufgestellt haben, ist der Landkreis Altötting endgültig der letzte in Bayern, der sich den Forderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes verweigert. Landrat Erwin Schneider (CSU) hat sich inzwischen durch alle Instanzen geklagt und dabei im Sommer eine letzte, besonders unrühmliche Schlappe hinnehmen müssen. Vom Biomüllsammeln will er aber weiterhin möglichst wenig wissen.

Schneider war sich da stets einig mit seinem Kreistag. Dass das mit dem Biomüll per Vergärung dem Erzeugen regenerativer Energie und per Kompostierung dem Erhalt von Biomasse und Boden dienen soll, wie etwa das Landesamt für Umwelt (LfU) argumentiert, ficht die Altöttinger nicht an. Der Landkreis sei eben ländlich und damit von vielen privaten Komposthaufen geprägt. Für das kleine bisschen übrigen Biomüll schwere Laster durch die Gegend dieseln zu lassen, sei aber ökonomisch und auch ökologisch unsinnig. Und das viele Plastik im Biomüll lande nach der Biogas-Vergärung doch bloß in Form von Mikropartikeln auf den Feldern und in der Nahrungskette. So lautete die Verteidigungslinie auch 2015, als der Kreistag das Biomüllsammeln einstimmig abgelehnt hat. Dabei hätten seit Anfang 2015 auch in Bayern das Gesetz und die entsprechenden EU-Vorgaben umgesetzt sein müssen.

Die meisten Kommunen hatten da schon längst ein funktionierendes Abholsystem per Biotonne, und viele andere haben auf Drängen der Behörden inzwischen wenigstens sogenannte Bringsysteme geschaffen, also Container aufgestellt wie Coburg oder Rosenheim. Allein der Altöttinger Landrat Schneider verweigerte sich komplett und klagte gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern, dass der Beschluss des Altöttinger Kreistags rechtswidrig und daher unwirksam sei. Doch das Verwaltungsgericht gab 2019 der Regierung recht, und der anschließend angerufene Verwaltungsgerichtshof ließ im vergangenen Jahr keine Berufung dagegen zu - und zwar schon deshalb nicht, weil der diplomierte Agraringenieur Schneider den Antrag persönlich unterzeichnet hatte. Gültig wäre ein Antrag beim VGH aber nur mit der Unterschrift einer Volljuristin wie der zuständigen Abteilungsleiterin im Landratsamt, die den Text auch formuliert hatte.

Dass der VGH am Ende anders entschieden hätte als das Verwaltungsgericht, glaubt allerdings im Altöttinger Landratsamt kaum jemand. Das heißt freilich noch lange nicht, dass man es dort nun eilig hätte mit einer Lösung für den Biomüll. Schneider selbst hatte den Bürgern schon im vorletzten Wahlkampf versprochen, die Biotonne komme nur über seine Leiche. Nun werde man aber "letzten Endes irgendetwas umsetzen müssen", sagt Schneiders Büroleiter Robert Müller. Aktiv Gedanken mache man sich darüber aber nicht, sondern warte eher auf die Regierung von Oberbayern. Die wiederum teilt nur mit, sie stehe mit dem Landratsamt in Kontakt.

Dem Gesetz entspräche schon ein Bringsystem mit Containern, wie es sie noch in Teilen Oberfrankens und der Oberpfalz sowie im südöstlichen Oberbayern gibt. Fast überall sonst haben sich die Bayern mit den Biotonnen arrangiert und laut LfU 2019 insgesamt 740 000 Tonnen Biomüll hineingeworfen, gut 66 Kilogramm pro Kopf.

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SZ vom 28.01.2021
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