Süddeutsche Zeitung

"Dilettantismus":Umzug der AfD-Zentrale sorgt weiter für Frust

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Bayerns AfD-Chef Protschka hat den Standortwechsel nach Greding gerichtlich durchgeboxt - gegen protestierende Mitarbeiter. Mit einer gewagten Idee zur Präsenz in München löst er erneut Kopfschütteln aus.

Glosse von Johann Osel, München

Neues von der AfD in Bayern, doch zunächst ein gedanklicher Abstecher in den Swingerclub, zum "Spielplatz für Erwachsene" mit "knisternder Erotik". Im mittelfränkischen Greding liegt das Etablissement mit dieser Werbung neben der Halle, in der die AfD ihre Parteitage abhält - und dort liegen auch die Räume für die neue Landeszentrale. Über den geplanten Umzug wurde unlängst vor dem Arbeitsgericht gestritten, der Betriebsrat wollte verhindern, dass die bisherige Geschäftsstelle in Hohenbrunn bei München dichtmacht. Und ein frecher Reporter gestattete sich bei den anwesenden Vorständen auf dem Gerichtsflur die Frage nach den Vorteilen eines Swingerclubs nebendran. Hm, meinte ein älterer AfD-Funktionär, gibt's den noch? "Die Jugend" wisse sicher mehr. Ein junger Vorstandskollege sagte dann, er sei da mal "zufällig" in den Keller geraten. Zuuufällig? Rote Bäckchen, kurzes Stammeln - es folgt ein Hinweis aufs Parteiprogramm und den Wert der traditionellen Familie.

Doch darum geht es in der Sache gar nicht, die Schnurre war nur amüsant. Der Betriebsrat wähnte, dass die AfD durch das künftig nötige Pendeln unliebsame Mitarbeiter vergrätzen wolle. Blödsinn, meinte die Gegenseite. Der Hauptsitz Greding, wo man schon jetzt Lagerräume mietet, spare eben viel Geld. In einem Mitgliederbrief hatte Landeschef Stephan Protschka zuvor eine "massive Unterdeckung" im Budget beklagt, "die wir schnellstmöglich ausgleichen müssen". Das Gericht gab dann der AfD recht, angeblich wurden schon kistenweise Akten in Hohenbrunn abgeholt. Noch im August soll alles über die Bühne gehen.

Einige in der AfD halten jedoch eine Zentrale weit weg vom Schuss und fernab der Landeshauptstadt für grundfalsch, sie planen, so hört man, ein Mitgliederbegehren dagegen. Tenor: Man verkrieche sich irgendwo in Bayern, doch in München spiele die politische Musik, dort müsse man etwa die Presse zu Terminen laden. Dazu sagte Protschka neulich im Donaukurier noch, "unsere Landtagsfraktion hat ohnehin Räume im Maximilianeum". Was wiederum nach verbotener Vermischung von Partei- und Fraktionsarbeit klingt und intern wieder Kritik bringt - welch ein "Dilettantismus", zürnt einer. Ein anderer scherzt: Ein AfD-Ministerpräsident könne die Regeln ja ändern. Das nämlich ist aktuell auch Gesprächsstoff in der AfD und nicht wenige finden es peinlich - auf Twitter schwadronierte Protschka (bei Umfragewerten von acht Prozent) soeben von der Regierungsverantwortung in Bayern 2023.

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