Süddeutsche Zeitung

Aberglaube:Freitag und die 13: Ja mei!

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Dieser Freitag fällt wieder einmal auf den 13. eines Monats. Im Volksglauben zählt er damit zu den Unglückstagen, an denen man kein Risiko eingehen soll. Der uralt wirkende Aberglaube gelangte erst nach dem Krieg aus Amerika nach Deutschland.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Aus jenen weit entfernten Zeiten vor der Corona-Krise, in denen die Menschen noch mit Flugzeugen gereist sind, ist ein Kuriosum in Erinnerung geblieben: In manchen Maschinen gab es keine Sitzreihe 13. Stattdessen folgte nach Reihe 12 sogleich die Reihe 14. Als Begründung führten die Fluggesellschaften an, die Zahl 13 werde in einigen Regionen der Welt eben als Unglückszahl betrachtet.

Der an der Universität Regensburg lehrende Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder kann dies durchaus nachvollziehen. Die Zahl 13, sagt er, habe schon in der Antike als Unglückszahl gegolten, weil sie das mächtige System der Zahl 12 überschreite. Die 12 war allgegenwärtig: 12 Tierkreiszeichen, 12 Monate, 12 Apostel. Die Zahl 13 sprengt dieses System, weshalb sie Angst provozierte und die Fluggesellschaften zu kuriosen Sitzreihungen zwang.

Hirschfelder setzt sich seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit der Zahl 13 auseinander, überdies mit jenem Datum, das bei diesem Thema stark ins Gewicht fällt: Freitag, der 13., der auch an diesem Freitag im November wieder sehr aktuell ist. Oberflächlich betrachtet, gilt er als ein ausgesprochener Unglückstag. Nicht einmal ein vernunftbegabter Wissenschaftler wie Hirschfelder kann sich von diesem Denken gänzlich freimachen. "Ja", sagt er, "ich gebe zu, dass ich immer ein bisschen Bammel vor dem 13. habe." Man spricht in einem solchen Fall von einem niederschwelligen Aberglauben, der auch ihn noch vital begleitet. Bei Hirschfelder geht das soweit, dass ihn, wenn der Kilometerstand seines Wagens nach einer Fahrt mit 13 endet, Unruhe befällt. "Dann drehe ich noch eine Runde", gesteht er augenzwinkernd.

Freilich darf man solche Zwänge nicht überbewerten. Heute hat Freitag, der 13. seinen Schrecken verloren, "es ist eher ein geflügeltes Wort, ohne Ausprägung auf den Alltag", sagt Hirschfelder. Vor 20 Jahren war das noch anders. Die Nachrichtenagentur dpa meldete 1998, 33 Prozent der Deutschen betrachteten Freitag, den 13. als ein riskantes Datum. Tatsächlich registrierte damals das Statistische Bundesamt an jenem Tag eine höhere Unfallquote als an anderen Tagen. Spätere Untersuchungen des ADAC und einiger Versicherungen ergaben freilich, dass an Freitagen, die auf den 13. eines Monats fallen, sogar weniger Schadensfälle verzeichnet wurden als an allen anderen Freitagen im Jahr.

Tatsächlich hat sich die moderne Gesellschaft weit von abergläubischen Vorstellungen entfernt. Freitag, der 13., das sei heute ein "nicht ernsthaftes Kokettieren mit dem Unglück", sagt Hirschfelder. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass dieses symbolträchtige Datum nicht jene universelle Bedeutung besitzt, die es vorzugeben scheint: Der Unglückstag wird erst seit einigen Jahrzehnten zu einem solchen stilisiert. In Märchen und Volkserzählungen sucht man vergeblich nach ihm.

Erstaunlicherweise ist der Aberglaube erst nach dem Krieg von Amerika nach Deutschland herübergeschwappt. "Ähnlich wie der Muttertag und Halloween ist auch Freitag der 13. im Zuge eines Kulturtransfers aus den USA eingeführt worden", sagt Hirschfelder. Als ein früher Beleg für Europa gilt der 13. November 1953, ein Freitag, an dem der Stapellauf des Öltankers "Tina Onassis" verschoben wurde.

Die durchaus vorhandene Zahlensymbolik der 13 und die Wochentagssymbolik des Freitags liefen bis dahin parallel. Die Vereinigung beider Linien ist in deutschen Medien erstmals in einer 1957 in der F rankfurter Allgemeinen Zeitung erschienenen Glosse dokumentiert. Jetzt begann der Trend, das vermeintliche Unglücksdatum Freitag, der 13. zu thematisieren. "Die 50er-Jahre boten dafür einen guten Nährboden", sagt Hirschfelder. Plötzlich war es ein Medienereignis, es war Wirtschaftswunder, es waren keine anderen Probleme da. In der NS-Zeit, sagt Hirschfelder, sei für so etwas keine Energie dagewesen.

In der immer komplexer werdenden Informationswelt von heute bekämen jene wieder Auftrieb, die eine Abkehr von der Wissenschaft betreiben und dem Aberglauben huldigen. Dass Teile der Gesellschaft sich wieder dem Irrationalen zuwenden, wie die Corona-Krise erschreckend zeigt, ist für Hirschfelder auch Zeichen einer Kapitulation vor der Informationsflut. In Bayern, sagt er, sei das Phänomen der Unglücksgläubigkeit aber nicht ganz so ausgeprägt wie anderswo. Die Menschen glauben auch weniger an Glücks- und Unglückstage. "Man geht hier im Alltag besser mit Pech und Unglück um."

Das liege an der bäuerlichen Gesellschaft von früher, die zwar durchaus abergläubisch war, sich aber, was ihr Schicksal betraf, weniger an Wochentagen orientierte als am Rhythmus der Jahreszeiten und des Wetters. Die auf dem Land übliche, gelassene Einstellung zum Unglück führt Hirschfelder auf die christliche Prägung des Landes zurück, die auch dem hintersinnigen Humor viel Platz einräumte. Während Pech anderswo gerne auf individuelles Versagen zurückgeführt wurde, nahm man es im ländlichen Bayern ohne große Worte hin. Höchstens ein "Ja mei!" war zu hören.

Dieser hintergründige und gelassene Humor sei auch im Stil mancher Zeitungen noch rudimentär zu erkennen, sagt Hirschfelder. Sie böten Formate, die zur Reflexion eines Themas anregen, eine Kultur, die in den sozialen Medien und im Fernsehen mit dem Hang zum flachen, schnellen Gag gänzlich verloren gegangen sei. Wie es mit Freitag der 13. in dieser Gemengelage weitergehen wird, weiß auch Hirschfelder nicht. Ein traditionelles Verhalten habe sich nicht herausgebildet. Gut möglich, dass dieser vermeintliche Unglückstag bald gänzlich in Vergessenheit gerät.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2020
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