Süddeutsche Zeitung

Brennstoffzellen im Auto:Der schwierige Streit um den Wasserstoff

Lesezeit: 3 min

E-Autos sollen die Verkehrswende bringen. Aber was ist mit Brennstoffzellenfahrzeugen? Kann Wasserstoff eine Alternative zu den Batterien sein? Eine neue Studie macht eine interessante Rechnung auf.

Von Joachim Becker

Wasserstoff? Nein danke! Für Audi-Vorstandschef Markus Duesmann ist die Sache klar. Er sieht für die Brennstoffzelle im Individualverkehr keine Zukunft. "Wir können den für den Antrieb nötigen Wasserstoff in den nächsten Jahrzehnten nicht in ausreichender Menge CO2-neutral produzieren. An Wasserstoff für den Einsatz im Auto glaube ich daher nicht", sagte er der Wochenzeitung Die Zeit, "die Lösung für den Pkw ist die Batterie."

Nachhaltig erzeugter, grüner Wasserstoff ist rar, deshalb scheint es sinnlos zu sein, ihn mit einem relativ schlechten Wirkungsgrad im Auto einzusetzen. Diese Position vertritt auch Romain Sacchi vom Paul Scherrer Institut: "Wir sind derzeit weit entfernt von 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen - daher ist eine effiziente Nutzung dieser sauberen Energie wichtig. Wenn wir jedoch wasserstoffbasierte Kraftstoffe anstelle von direkter Elektrifizierung verwenden, wird je nach Anwendung und den jeweiligen Technologien die zwei- bis vierzehnfache Menge an Strom benötigt."

Es fängt schon damit an, dass etwa 20 Prozent der eingesetzten Energie benötigt wird, um die stabilen Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten (Elektrolyse). Die Verflüssigung bei minus 253 Grad Celsius für den Transport per Schiff oder Tanklastwagen kostet ähnlich viel Energie, während Hochspannungsnetze den Strom mit geringen Verlusten transportieren können.

Keine Frage, Batterieautos sind sehr gute Kostverwerter: Von der Stromerzeugung per Wind oder Sonne kommen mehr als 70 Prozent der Energie tatsächlich am Rad an. "Anders als bei Wasserstoff oder e-Fuels würde eine komplette Umstellung auf E-Autos den Energiebedarf des deutschen Verkehrssektors deutlich senken", erklärt Maximilian Fichtner, Batterieexperte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Grund dafür sei die hohe Energieeffizienz des E-Antriebs. Fichtner kalkuliert mit einer Energieeinsparung um mehr als drei Viertel im Transportsektor, wenn alle Pkw auf den vollelektrischen Antrieb umgestellt werden. Eine vollständige Umstellung auf Wasserstoff-Fahrzeuge dagegen würde den Energiebedarf des Transportsektors um rund ein Drittel steigen lassen.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Batteriefertigung bereits sehr viel Energie verbraucht hat, bevor ein Elektroauto überhaupt den ersten Kilometer fährt. In Bezug auf die Klimabilanz hat also jeder Antrieb sein eigenes Handicap. "Wir reden sowohl beim Batteriefahrzeug als auch bei der Brennstoffzelle im Gesamtkontext des gesamten Energiesystems gar nicht mehr nur über das Auto an sich", sagt BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber. Und er macht eine andere Rechnung auf als Audi-Chef Markus Duesmann.

Die Energiekette ist lang, bis die Brennstoffzelle im Auto Strom liefert

Auch bei BMW weiß man, dass die Wasserstoff-Energiekette bis zum Rad nicht besonders günstig ist. "Im direkten Effizienzvergleich zum Batterieauto ist das nicht ideal", gibt Frank Weber zu. "Aber wenn man den kompletten Lebenszyklus des Fahrzeugs betrachtet, dann sieht das schon wieder anders aus. Hinzu kommt: Wenn regenerative Energie als Wasserstoff importiert wird oder Wasserstoff aus Überschüssen erzeugt wird, dann ist die reine Effizienzbetrachtung zu kurz gedacht." Das Energiesystem fange etwa bei einem Windparkbetreiber in der Nordsee an, der seine Kapazität um 50 Prozent ausbauen wolle. Die Preise pro Kilowattstunde seien dort zwar relativ niedrig. Dafür seien die nötigen Investitionen in den Netzausbau sehr hoch.

Es ist ein alter Traum, dass Deutschland mit der Kraft von Wind und Sonne energieautark werden könnte. Autarkie um jeden Preis ist aber gar nicht sinnvoll, denn der deutsche Strompreis liegt weltweit bereits an der Spitze. Die Frage muss also sein, welcher nachhaltige Energieträger sich am günstigsten über weite Strecken transportieren lässt. Flüssiger Wasserstoff lässt sich etwa in Spezialschiffen über die Meere schippern - und per Brennstoffzelle zurückverstromen. Dabei geht allerdings rund die Hälfte der Energie verloren. Effizienter wäre der Transport über das Erdgasnetz - das bereits der größte existierende Energiespeicher in Europa ist.

Frank Weber ist überzeugt, dass Wasserstoff als transportierbarer und speicherbarer Energieträger bei der Umstellung auf regenerative Energiequellen eine wichtige Rolle spielen wird: "Will man beispielsweise Windenergie aus Norwegen oder Island nach Deutschland importieren, oder Solarenergie aus Marokko, dann kann das zukünftig in Form von Wasserstoff geschehen." Dafür könnten bestehende Erdgaspipelines umfunktioniert werden. "Der höhere Ertrag regenerativer Energien in diesen Regionen gleicht dann die Wandlungsverluste weitgehend aus", so Weber.

Wenn man das umgewidmete Erdgasnetz als Wasserstoff-Pipeline verwendet, kann man auch Tankstellen daran anschließen. Viele Experten gehen davon aus, dass ohnehin eine Wasserstoff-Tankinfrastruktur für schwere Lkw entstehen wird. Brennstoffzellen-Pkw könnten als Trittbrettfahrer von dieser Entwicklung profitieren. Eine neue Studie des Hydrogen Councils zeigt, dass dadurch sogar die Ladeinfrastruktur an Autobahnen entlastet wird. Künftig müssen Rastplätze nicht nur mehrere Dutzend Schnelllader für Elektroautos bereithalten, sondern auch zahlreiche Ultraschnell- oder sogar Megawattlader für Lkw. In Spitzenzeiten kann der Stromverbrauch auf bis zu 19 Megawatt steigen - der Energiebedarf einer Stadt mit 25 000 Einwohnern. Solche Lastspitzen könnte eine zusätzliche Wasserstoffinfrastruktur zu vertretbaren Kosten abfedern. Wenn aus dem Entweder-oder von Strom und Wasserstoff ein Sowohl-als-auch wird.

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