Süddeutsche Zeitung

Fahrradklima-Index des ADFC:Radler geben deutschen Städten schlechte Noten

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Von Felix Reek

"Fahrradhauptstadt", das ist ein Titel, den zuletzt viele deutsche Metropolen und Gemeinden für sich in Anspruch genommen haben. Radfahren liegt gerade im Trend, es ist schick, aufs Auto zu verzichten und auf Alternativen auszuweichen. Also brüsten sich viele Städte damit, besonders viel für Radfahrer zu tun. Breitere Radwege, Fahrradschnellstraßen, abgetrennte Spuren von den Autofahrern. Die Realität sieht meist anders aus. Auf die Versprechen folgt nicht viel. Das bestätigt eine Umfrage des Allgemeinen Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), der in unregelmäßigen Abständen seit 1988 Radler darüber befragt, wie wohl sie sich auf deutschen Straßen fühlen, wo sie noch Nachbesserungsbedarf sehen und wo es sich am besten radeln lässt.

170 000 Radler nahmen an dem "Fahrradklima-Index" teil, bewerteten insgesamt 683 Städte, unterteilt nach Größe und vergaben Schulnoten von eins bis sechs. Gewinner in der Kategorie über 500 000 Einwohner ist diesmal Bremen mit einem Durchschnitt von 3,5, gefolgt von Hannover (3,8) und Leipzig (3,9). Eine Überraschung gab es bei den Städten mit 200 000 bis 500 000 Einwohnern, wo Karlsruhe (3,2) die Fahrradhochburg Münster (3,3) abhängen konnte. In den weiteren vier Klassen lagen Göttingen, Bocholt, Baunatal und Reken vorne. Auffällig ist, dass die Durchschnittsnoten umso besser sind, je kleiner die Städte sind. Die beste Note (2,0) erhielt die Gemeinde Reken im Münsterland mit etwa 15 000 Einwohnern.

Diese Städte holten am meisten auf

Berlin (4,3 / -0,07), Wiesbaden (4,4 / -0,20), Offenbach (3,6 / -0,14) , Konstanz (3,1 / -0,29), Emmendingen (3,5 / -0,45) und Oschatz (4,0 / -0,36) holten in ihrer Größenklasse im Vergleich zur letzten Umfrage vor drei Jahren am meisten auf. Dies ist allerdings eine zwiespältige Ehre. So erklärt Rebecca Peters vom ADFC: "An Berlin sehen wir, dass es von den Radfahrenden schon als positiv bewertet wird, wenn die Stadt sich auf den Weg macht, bessere Bedingungen für den Radverkehr zu schaffen." Wiesbaden zum Beispiel rangiert zugleich an letzter Stelle der Umfrage, wenn es um Städte zwischen 200 000 und 500 000 Menschen geht.

Auffällig ist auch: Eine grundsätzliche Verbesserung empfanden nur die wenigsten Befragten - das Gegenteil ist der Fall. Lag das allgemeine Fahrradklima 2014 noch bei einem Durchschnitt von 3,7 und 2016 bei 3,8, sind es mittlerweile nur noch 3,9, also gerade einmal "ausreichend". Besonders besorgniserregend ist, dass sich Radfahrer immer unsicherer fühlen. 2016 lag die Durchschnittsnote in der Befragung noch bei 3,9, im letzten Jahr nur noch bei 4,2. Rebecca Peters vom ADFC sagt dazu: "Es ist ein Trauerspiel. Der Spaß am Radfahren nimmt kontinuierlich ab."

Schlechte Infrastruktur führt zu schlechten Ergebnissen

Der Verein führt das auf die mangelhafte Infrastruktur zurück. Die Ergebnisse des Fahrradklima-Index geben ihm recht. Am meisten stören die Befragten der lasche Umgang mit Falschparkern (Note: 4,5), die schlechte Führung an Baustellen (4,5), ungünstige Ampelschaltungen (4,4) und zu schmale Radwege (4,4). 81 Prozent gaben an, dass es ihnen besonders wichtig sei, vom Autoverkehr getrennt zu sein.

Einen Lichtblick gibt es aber: Wettringen, 30 Kilometer nordwestlich von Münster, ist laut den 170 000 Teilnehmern des Fahrradklima-Index die familienfreundlichste Fahrradstadt. Hier sind die Bewohner der Ansicht, dass Kinder ohne Bedenken alleine Rad fahren können und die Wege breit genug sind für Lastenräder und Anhänger. Ein Beispiel, von dem so manch größere Stadt in der Liste noch etwas lernen kann.

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