Süddeutsche Zeitung

Urteil in Leipzig:Bundesverwaltungsgericht erlaubt Diesel-Fahrverbote

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Das Bundesverwaltungsgericht macht den Weg frei für Diesel-Fahrverbote. Der Vorsitzende Richter in Leipzig, Andreas Korbmacher, wies die Revisionen der Landesregierungen von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zurück. Damit hat die Deutsche Umwelthilfe mit ihrer Klage Erfolg, mit der sie die städtischen Behörden in Stuttgart und Düsseldorf verpflichten will, die Luftreinhaltepläne nachzubessern und darin ein Fahrverbot für bestimmte Pkw zu verankern. Beide Städte müssen ihre Luftreinhaltepläne aber auf Verhältnismäßigkeit prüfen.

Die Entscheidung hat Signalwirkung für viele andere Städte, deren Luft zu stark mit Stickoxiden belastet ist. Sie sieht Übergangsfristen und eine phasenweise Einführung von Fahrverboten vor. Außerdem solle es Ausnahmeregelungen etwa für Handwerker geben. Es gebe aber keine finanzielle Ausgleichspflicht. "Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen", sagte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher. Die zuständigen Landesbehörden hätten es in der Hand, einen "Flickenteppich" zu verhindern.

Konkrete Fahrverbote stellte Korbmacher für Stuttgart im ersten Schritt für Dieselfahrzeuge in Aussicht, die nur die Abgasnorm Euro 4 oder schlechter erfüllen. Nach einer Übergangsfrist könnten auch Euro-5-Diesel betroffen sein, und zwar von 1. September 2019 an, "mithin also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6". Diesel, die diese aktuelle Norm erfüllen, dürfen weiterhin uneingeschränkt in allen deutschen Innenstädten fahren - auch in Düsseldorf. Zur Hauptstadt Nordrhein-Westfalens urteilte das Bundesverwaltungsgericht, die Behörden hätten Fahrverbote ernsthaft in den Blick zu nehmen, wenn diese die einzig geeignete Maßnahme wären, die Grenzwerte einzuhalten.

Das Bundesverwaltungsgericht selbst verhängt keine Fahrverbote und ordnet sie auch nicht an. Aber Stuttgart, Düsseldorf und 16 andere von der Deutschen Umwelthilfe verklagte Kommunen stehen nun stärker unter Druck, ihre Luftreinhaltepläne umzusetzen und die Stickoxidgrenzwerte einzuhalten. Sie könnten nun festlegen, in welchen Straßen Fahrverbote gelten sollen und wer genau Ausnahmegenehmigungen bekommt.

Blaue Plakette ist nicht in Sicht

Da die Behörden damit länger beschäftigt sein dürften, wird ein Fahrverbot keinesfalls von heute auf morgen eingeführt. Zudem müsste ein praktisches Problem gelöst werden: Es gibt derzeit in Deutschland kein einheitliches Verbotsschild. Auch die blaue Plakette, mit der Autos mit geringem Stickoxidausstoß gekennzeichnet werden könnte, ist nicht in Sicht. Ohne diese Plakette wäre es für Polizei und die städtische Verkehrsüberwachung schwierig, solche Autos zu identifizieren. Letztlich bliebe nur der aufwendige Blick in den Fahrzeugschein - ein Szenario, das sowohl Polizei als auch Kommunen für unrealistisch halten.

Obwohl insgesamt 70 deutsche Städte mit zu hohen Stickoxidwerten kämpfen, versuchten Politiker in den Regierungen der Kommunen und Länder sowie auf Bundesebene bis zuletzt, Fahrverbote zu vermeiden. Kein Wunder, schließlich dürften fast zehn Millionen Halter mit ihren älteren Dieseln plötzlich nicht mehr in bestimmte Bereiche fahren; die Autos würden stark an Wert verlieren. Erst am vergangenen Wochenende gab es einen Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums, mit dem eine Rechtsgrundlage für "streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoffdioxid)" geschaffen werden soll. Kommunen hätten damit die Möglichkeit, stark belastete Straßen oder Stadtbereiche für alle oder bestimmte Fahrzeuge zu sperren.

Die von vielen Politikern und vom ADAC geforderte Hardware-Lösung, mit der die meisten Euro-5-Diesel mit Katalysatoren so nachgerüstet werden könnten, dass sie deutlich weniger Stickoxide ausstoßen, lehnen die Autohersteller bislang ab. Sie bieten lediglich Software-Updates an, deren Verbesserungspotenzial Experten jedoch für gering halten.

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