Süddeutsche Zeitung

Es geht nicht um Personalien:Wo die Probleme bei BMW wirklich liegen

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Nach dem Abgang von BMW-Chef Harald Krüger wird der Ruf nach einem neuen starken Mann laut. Tatsächlich geht es aber weniger um Personalien als um strukturelle Defizite der Autoindustrie.

Kommentar von Joachim Becker

Den Kopf muss immer der Chef hinhalten, auch bei BMW. Einer muss ja schuld sein an der zögerlichen Elektro-Offensive oder dem Rückstand auf den Erzrivalen Mercedes. Kommentare zum Abgang von BMW-Chef Harald Krüger lassen nun den Ruf nach einem neuen starken Mann laut werden: Da fliegt er wieder der viel zitierte Adler des BMW-Übervaters Eberhard von Kuenheim, der "in großer Höhe am besten allein" unterwegs sei.

Nach der Ära von Kuenheim hatten es durchsetzungsstarke Persönlichkeiten schwer, an die Spitze von BMW zu gelangen. Das zeigt auch die Demission von Herbert Diess Ende 2014. Der damalige BMW-Entwicklungsvorstand verlor den Machtkampf in München und ging nach Wolfsburg. Seitdem exekutiert er die radikale Elektrowende, zu der sich Krüger nicht durchringen konnte. Wie weit BMW mittlerweile zurück liegt, zeigt der Elektro-Mini, den die Münchner gerade vorstellen. Gegenüber dem VW ID3 fällt der Mini electric nicht nur bei der Reichweite, sondern auch beim modernen Elektronik-Bordnetz und den Vernetzungsmöglichkeiten weit zurück.

BMW hat nach dem mutigen, aber finanziell erfolglosen i3 länger gebraucht, um eine tragfähige Elektrostrategie aufzusetzen. Komplett neu entwickelte Stromer (purpose built) rechnen sich für den relativ kleinen Hersteller nicht, erst recht nicht mit teuren Materialien wie Karbon. Deshalb hat Krüger zu Recht weitere Derivate gestoppt. Gleichzeitig hat er die Agilität seines Gegenspielers Diess unterschätzt und fährt nun hinterher. Erst 2021 ist die neue Multi-Antriebs-Plattform von BMW einsatzbereit, die sowohl Verbrenner als auch alle Stufen der Elektrifizierung am gleichen Band integrieren kann. Gar nicht zögerlich waren die Münchner dagegen beim autonomen Fahren: Mit 1400 Experten sind sie nicht nur den Wolfsburgern weit voraus. Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich hat die entsprechenden Milliarden als Co-Chef energisch freigeschaufelt. Alle bei BMW wussten, dass diese Wette auf die Zukunft extrem riskant ist und keine schnelle, sichere Rendite bringt. Zu groß sind die Unwägbarkeiten bei der Zulassung.

Es geht also weniger um die Personalie Krüger als um strukturelle Probleme: Unternehmen, die ihr Geschäft in 100 Jahren perfektioniert haben, müssen plötzlich so riskant agieren wie Start-ups. Auch ein starker Mann an der Spitze kann damit scheitern - mit allen Konsequenzen für Tausende von Arbeitsplätzen. Die Grundsatzentscheidungen zur Elektromobilität sind (bis auf die Brennstoffzelle) gefallen. Was jetzt kommt, sind die schnellen Entwicklungszyklen der Software. Nicht nur beim autonomen Fahren, sondern bei neuen Dienstleistungen rund um das vernetzte Auto. Google &Co werden zu Kernwettbewerbern, das hatte Norbert Reithofer, der damalige BMW-Chef und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende, schon vor zehn Jahren auf dem Radar. Eine schlüssige Antwort auf die neuen Konkurrenten aus China und dem Silicon Valley gibt es in Auto-Deutschland immer noch nicht.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2019
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