Süddeutsche Zeitung

Blow-ups auf der Autobahn:Aufgeblasene Gefahr

Lesezeit: 3 min

Von Thomas Harloff

Zumindest bis Mitte kommender Woche soll die Hitze Deutschland fest im Griff halten. Die hohen Temperaturen bringen für Auto- und Motorradfahrer sowie einige Autobahnmeistereien unangenehme Begleiterscheinungen mit sich. Plötzlich auftretende Straßenschäden, auch Blow-ups genannt, haben in der Vergangenheit schon tödliche Unfälle verursacht. Doch treten Blow-ups wirklich so häufig auf und sind sie tatsächlich so gefährlich?

Was sind Blow-ups und wie entstehen sie?

Blow-ups sind Straßenschäden, bei denen sich die Straßendecke anhebt und deshalb der Fahrbahnbelag zerbröselt. Das passiert, weil sich bei großer Hitze die Betonplatten der Fahrbahn ausdehnen. Die Fugen können den Druck nicht mehr ausgleichen und die Betonplatten drücken sich gegenseitig hoch. Meist werden dadurch kleine Betonbrocken herausgelöst, die durch Autoreifen weggeschleudert werden, wodurch sich ein Schlagloch bildet. Nur im Extremfall entstehen Wellen oder Erhebungen bis zu 30 oder gar 50 Zentimeter Höhe.

Welche Straßen sind von Blow-Ups besonders betroffen?

"Gefährdet sind ältere Betonautobahnen, die ursprünglich nicht für die hohen Verkehrsbelastungen der heutigen Zeit ausgelegt wurden", sagt Christoph Hecht, Verkehrsexperte beim ADAC. In Südbayern sind das einzelne Abschnitte der Autobahnen A92, A93 und A94. "Aber die A3 zwischen Regensburg und Passau, auf der vor zwei Jahren zwischen 70 und 80 Prozent aller Blow-ups auftraten, ist inzwischen nicht mehr besonders hitzegefährdet", sagt Josef Seebacher. Dem Sprecher der Autobahndirektion Südbayern zufolge sind aktuell noch etwa 160 des insgesamt 1200 Kilometer großen südbayerischen Straßennetzes betroffen, also etwa 13 Prozent.

Auch Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hatten in der Vergangenheit vereinzelt mit Blow-ups zu kämpfen. Doch der Großteil der dortigen Autobahnen besteht inzwischen aus Asphalt, der wegen seiner größeren Flexibilität nicht für dieses Phänomen anfällig ist. In Nord- und Mitteldeutschland gibt es zwar viele Betonautobahnen, aber hier ist die Sonneneinstrahlung nicht so stark und sie werden im Vergleich weniger beansprucht. Auf Landstraßen herrscht keine Blow-up-Gefahr, denn auch sie bestehen meist aus Asphalt.

Was begünstigt Blow-Ups?

Ist die Autobahn vorgeschädigt ist, dies aber bislang unentdeckt, steigt die Gefahr für Blow-ups. Die entscheidende Rolle spielt aber die große Hitze beziehungsweise lange Sonneneinstrahlung. "Ab 28 Grad wird es kritisch", sagt Seebacher.

Was wird gegen Blow-ups getan?

Leider lässt sich kaum vorhersagen, wo Blow-ups entstehen. Seit es vor zwei Jahren zu einer Häufung kam, gibt es aber ein Warnsystem. "Ab 28 Grad kontrollieren wir verstärkt die Straßen und informieren die Radiosender, dass sie ihre Hörer warnen sollen", erklärt Seebacher. Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen führt Messfahrten durch. Inzwischen gibt es eine zweite Warnstufe, die mit 30 Grad in Kraft tritt. Dann gibt es auf den gefährdeten Autobahnabschnitten ein generelles Tempolimit von 80 km/h.

Sobald die Straßenmeistereien Schäden an der Fahrbahn erkennen, reparieren sie diese. An einigen besonders gefährdeten Abschnitten ergreifen die Straßenbauer prophylaktische Maßnahmen. Sie trennen Betonstreifen quer zur Fahrbahn heraus und ersetzen sie durch Asphalt. Dank dieser "Entspannungsschnitte" kann sich der Beton besser ausdehnen, die Fahrbahn wird entlastet. Allerdings dehnen sich auch diese Streifen nach oben aus, sodass kleine Hügel auf der Fahrbahn entstehen. "Das sind Hunderte allein in Südbayern, die wir jetzt nach und nach wieder abfräsen", sagt Seebacher.

Grundsätzlich gilt: Wer Um- und Vorsicht walten lässt, fährt auch auf Strecken mit hoher Blow-up-Gefahr sicherer. Vorausschauend zu fahren, den Sicherheitsabstand zu vergrößern und die Geschwindigkeit zu reduzieren, ist angebracht. Zudem empfiehlt es sich, Radio zu hören und darauf zu achten, ob es Warnungen für die gewählte Strecke gibt. Ist Warnstufe zwei aktiv und das Tempolimit auf 80 km/h herabgesetzt, sollte dies befolgt werden.

Motorradfahrer meiden gefährdete Autobahnabschnitte besser und weichen lieber auf Landstraßen aus. Besonders groß ist die Blow-up-Gefahr am späten Nachmittag, wenn die Fahrbahn schon lange starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt war.

Welche Auswirkungen hat große Hitze sonst noch auf Straßen und Autobahnen?

Auch Asphaltautobahnen leiden unter der Hitze, wenn auch längst nicht so stark. "Früher hat sich der Asphalt schnell aufgeweicht, sodass durch die starke Beanspruchung vor allem von Lastwagen Spurrillen entstanden sind", sagt Josef Seebacher. Dann wurde es vor allem bei Regen gefährlich, da sich in den Spurrillen das Wasser gesammelt hat und die Aquaplaning-Gefahr stieg. Besseres Material und moderne Bauverfahren haben das Problem inzwischen gelöst.

Ist das Phänomen der Blow-ups neu?

Bis vor zwei Jahren war das Phänomen der Blow-ups weitgehend unbekannt. Bundesweit gab es davon vier oder fünf im Jahr. 2013 traten allein in Bayern plötzlich etwa 30 Fälle innerhalb kurzer Zeit auf. Mancher Experte vermutet den Hauptgrund dafür im damaligen Hochwasser, da auf die kühle und feuchte Witterung direkt eine heiße Phase folgte. Christoph Hecht sieht das Problem im Alter der jeweiligen Autobahnen begründet: "Das betrifft Autobahnen, die einst sparsamer dimensioniert wurden und die nun ein Alter erreicht haben, in dem sie längst komplett saniert sein sollten." Seit der Häufung 2013 seien zudem die Medien besonders sensibilisiert, ergänzt Seebacher.

Auch seine Behörde schätze die Gefährdung nun anders ein als noch vor zwei Jahren. Die Autobahndirektion Südbayern bezeichne einen Schaden, der zuvor noch als Schlagloch deklariert worden wäre, nun als Blow-up. Trotzdem warnt er vor Panikmache: "2013 war einer von mehr als 3000 Verkehrstoten auf Blow-ups zurückzuführen, und noch immer sterben auf Landstraßen drei- bis viermal so viele Menschen wie auf der Autobahn."

Anders ausgedrückt: Blow-Ups sind gefährlich, werden aber überschätzt. Aus Angst auf die Fahrt in den Urlaub, ins Wochenende oder ins Blaue zu verzichten, wäre übertrieben.

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