Süddeutsche Zeitung

Verhaltensbiologie:Was der Wolf sieht

Ein verborgenes Objekt können natürlich auch Wölfe nicht sehen. Aber sie können - wie Menschenaffen und Rabenvögel - den Blick eines anderen entsprechend interpretieren.

Christian Weber

Wölfe können mehr, als man ihnen bislang zugetraut hat: Sie sind in der Lage, einen Blick zu interpretieren, der auf ein Objekt hinweist, das hinter einem Hindernis verborgen ist. Bislang glaubte man, nur Menschenaffen und Rabenvögel seien dazu fähig.

Doch jetzt veröffentlichten die Zoologinnen Friederike Lange und Zsófia Virányi in der Fachzeitschrift PLoS One (Bd.6, S. e16888, 2011) eine Studie, die erstmals zeigt, dass auch Wölfe diese Fähigkeit besitzen, egal ob der Blickgeber ein speziell trainierter Hund war oder ein Mensch.

Bei den Versuchsteilnehmern handelte es sich allerdings um neun Tiere, die im Wolf Science Center der Universität Wien per Hand aufgezogen wurden, also von Geburt an mit menschlichen Gesichtern vertraut waren.

Auf ihre besondere Intelligenz deutet auch die Tatsache hin, dass die Wölfe ihre Kooperation beim Blick-Experiment schnell stoppten, wenn sie hinter der Barriere nichts mehr zum Fressen fanden.

In primitiverer Form als die Wölfe verfügen allerdings viele Lebewesen über die Fähigkeit, dem Blick anderer zu folgen, sogar manche Schildkröten und Hausziegen.

Tiere, die über Kopf- und Augenbewegungen ihr Handeln abstimmen, haben viele Vorteile: Sie können sich gegenseitig leicht auf Beute oder Gefahren hinweisen, das Verhalten von Freund und Feind voraussagen und besser kooperieren.

Blicken folgen zu können ist somit auch eine wichtige Voraussetzung, um über die Absichten anderer Lebewesen zu spekulieren und deren kognitiven Zustand zu verstehen.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2011
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