Süddeutsche Zeitung

USA:"American Dream" - nur für Weiße

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Viele Schwarze in den USA arbeiten hart in gutbezahlten Jobs. Trotzdem haben sie - im Gegensatz zu Weißen - kaum Chancen, reich zu werden.

Markus C. Schulte von Drach

Nach der Abschaffung der Rassengesetze in den USA in den sechziger Jahren sah es so aus, als könnten Afroamerikaner endlich am American Dream teilhaben: Jedem US-Bürger sollte es durch harte Arbeit möglich sein, seinen Besitz zu mehren und sein Leben zu verbessern.

Doch obwohl US-Präsident Barack Obama der personifizierte Beweis zu sein scheint, dass die Hoffnung berechtigt war - für die meisten Dunkelhäutigen bleibt es ein Traum. Die Nachteile, unter denen Schwarze und andere Minderheiten leiden, sind noch immer dramatisch.

Das belegt besonders deutlich die immer weiter aufreißende Wohlstandsschere zwischen Weißen und Schwarzen.

Wie Wissenschaftler der Brandeis University in Massachusetts berichten, ist das durchschnittliche Vermögen von weißen Familien in den Jahren zwischen 1984 und 2007 von 22.000 Dollar auf 100.000 Dollar gewachsen. Afroamerikanische Haushalte besaßen Mitte der achtziger Jahre lediglich 2000 Dollar - 23 Jahre später waren es 5000 Dollar.

Das Verhältnis der Vermögen, über die Weiße und Schwarze verfügen, ist in der Stichprobe der Forscher demnach von 11:1 auf 20:1 gestiegen!

"Das", so stellt Studienleiter Tom Shapiro fest, "ist schockierend." Die Verhältnisse könnten sich jedoch innerhalb der Familien seit der ersten Datenaufnahme verändert haben. Auch Forschungsleiterin Tatjana Meschede betont, es sei noch zu früh, diese Verhältnisse einfach zu vergleichen, da sich der Unterschied nur aus den Werten des Jahres 2007 ergibt.

"In anderen Untersuchungen taucht immer wieder das Verhältnis 10:1 auf", so Shapiro, "deshalb würde ich sagen: Afroamerikanische Familien besitzen zehn Cent für jeden Dollar, über den durchschnittliche weiße Familien verfügen."

Besonders deutlich wird die für Schwarze nachteilige Veränderung Shapiro zufolge, wenn man den Abstand zwischen den Vermögen betrachtet. So ist die Kluft zwischen den Ethnien von 20.000 Dollar um mehr als das Vierfache auf 95.000 Dollar gewachsen.

"1984 entsprach die Differenz etwa der Summe, die man brauchte, um ein Kind drei Jahre auf eine öffentliche Universität zu schicken", erklärt der Soziologe. "2007 reichte die Differenz für zwei Kinder, die jeweils vier Jahre auf die Universität könnten und zusätzlich die Ausbildung eines Kindes zum Mediziner."

Dramatisch ist auch der Vergleich der verschiedenen Einkommensgruppen. So besaßen schwarze Amerikaner mit hohem Einkommen 1984 ein größeres Vermögen als Weiße mit mittlerem Einkommen. Heute dagegen ist es umgekehrt. Weiße Haushalte mit mittlerem Einkommen (etwa 30.000 Dollar Einkommen) konnten im Untersuchungszeitraum 56.000 Dollar mehr zurücklegen als afroamerikanische Familien mit hohem Einkommen (mehr als 50.000 Dollar Einkommen).

Unter den Afroamerikanern mit hohem Einkommen war das Vermögen von einem Spitzenwert von 25.000 Dollar sogar auf 18.000 Dollar gesunken, während Weiße mit entsprechendem Einkommen ihr Geld auf 250.000 Dollar steigern konnten.

Gleiches Einkommen, fünfmal reicher

Insgesamt, so sagt Shapiro, besitzt ein weißer Haushalt ein fünfmal größeres Vermögen als ein schwarzer Haushalt mit entsprechendem Einkommen.

Die Forscher nutzten Daten von mehr als 2000 Familien aus den Jahren 1984 bis 2007. Nicht berücksichtigt hatten sie das Vermögen, das in den eigenen Häusern oder Wohnungen festgelegt war. Sonst wäre die Kluft zwischen Weißen und Schwarzen sogar noch größer.

"Selbst wenn Afroamerikaner alles richtig machen, um den amerikanischen Traum zu verwirklichen - wenn sie eine Ausbildung haben und hart in einem gutbezahlten Job arbeiten -, können sie kein Vermögen erwerben wie ihre weißen Kollegen", stellt Shapiro fest.

Die Ursachen gehen einerseits auf die Geschichte der Schwarzen in den USA zurück. So konnten Afroamerikaner vor den sechziger Jahren zuerst aufgrund von Gesetzen, später wegen der Widerstände in der weißen Bevölkerung keine eigenen Geschäfte eröffnen und kaum Kredite aufnehmen, schreiben die Wissenschaftler.

Es gab deshalb so gut wie keine finanzielle Grundlage, auf der sie mit der Zeit ein Vermögen hätten aufbauen können. Und ohne Geld war es schwierig, das College für den Nachwuchs zu finanzieren oder den Kindern etwas zu vermachen. Die Startbedingungen zur Vermögensbildung waren also von vornherein deutlich verschieden.

Und was US-Präsident Barack Obama seinen Töchtern an Unterstützung bieten kann, ist demnach immer noch eher die Ausnahme als die Regel.

Dazu kommt, dass Afroamerikaner und US-Bürger lateinamerikanischer Herkunft auf dem Wohnungs-, dem Kredit- und dem Arbeitsmarkt bis heute diskriminiert werden. So mussten den Forschern zufolge Angehörige dieser Minderheiten im Zeitraum der Studie doppelt so oft teure Hypotheken aufnehmen wie Weiße mit entsprechendem Einkommen. Es war für sie teurer, an Kredite zu kommen und sie mussten mehr Schulden machen.

Aufgrund ihrer schlechteren Startvoraussetzungen konnten die Schwarzen auch wenig von den Steuersenkungen der US-Regierungen seit den achtziger Jahren profitieren. Denn niedrige Steuern auf Einkommen aus Kapitalanlagen wie Aktien sowie auf Erbschaften kommen denen zugute, die bereits auf ein Vermögen zurückgreifen können.

Um sich eine Ausbildung oder den Besuch einer Universität zu finanzieren oder Arbeitslosigkeit und krankheitsbedingte Ausfälle zu überbrücken, waren und sind Schwarze häufiger gezwungen, Schulden zu machen.

"Politik, die die Reichen bevorzugt"

Das extreme Auseinandergehen der Wohlstandsschere innerhalb einer so kurzen Zeit "spiegelt die Politik wider, die die Reichsten bevorzugt und den Wohlstand entsprechend umverteilt", kritisieren die Wissenschaftler.

Dabei werden mit den schwarzen Familien gerade auch jene getroffen, die sich ihrem Umfeld gegenüber besonders sozial verhalten. Bereits bei früheren Untersuchungen hatten die Forscher festgestellt, dass wohlhabende afroamerikanische Familien häufiger auch entfernte Verwandte finanziell unterstützen, was der Vermögensbildung natürlich abträglich ist.

"Chancengleichheit bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben sollten, mit Erfolg in ihrem Job zu arbeiten und ihr Vermögen und ihren Besitz zu mehren." Mit anderen Worten: Leistung sollte sich lohnen. In den USA aber, kritisieren die Wissenschaftler von der Brandeis University, tut sie das für die Schwarzen nicht.

Deshalb, so fordert Shapiros Kollegin Laura Sullivan, bräuchte man ein Steuersystem mit mehr Transparenz, mehr Regulierung und leichterem Zugang zum Wohnungs- und Kreditmarkt. Shapiro und sein Team hoffen nun, dass ihre Daten auch bei der Diskussion über eine Verbraucherschutzbehörde bei Finanzdienstleistungen berücksichtigt werden, die derzeit im Kongress diskutiert wird.

"Wir brauchen eine Hundertachtzig-Grad-Wende", schreiben die Forscher. "Die Politik war und ist mitverantwortlich für die Wohlstandsschere zwischen den Ethnien, und sie muss nun eine wichtige Rolle übernehmen, um sie zu schließen."

Barack Obama ist nicht nur der erste schwarze Präsident der USA, er ist auch für den "Wandel" angetreten. Er bringt also einige gute Voraussetzungen mit, um die Ungerechtigkeit den Afroamerikanern und anderer Ethnien gegenüber zu beenden. Ob er sich gegen den zu erwartenden Widerstand insbesondere vieler wohlhabender Weißer in der Regierung wird durchsetzen können, ist allerdings fraglich.

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