Süddeutsche Zeitung

Tiere:Taschenratten betreiben Landwirtschaft

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Laut einer Untersuchung von US-Forschern bewirtschaften Taschenratten unterirdische Wurzelfarmen. Damit wären sie neben dem Menschen die einzigen Säugetiere, die eine Form von Ackerbau betreiben.

Von Nina Kammleiter

Mit ihren kräftigen Krallen an den Vorderfüßen und vorstehenden Schneidezähnen buddeln sich Taschenratten ihren Weg durch das Erdreich. Bis zu 160 Meter lange Tunnelsysteme graben die einzelgängerischen Nagetiere, die ihr Leben größtenteils unter der Erde verbringen. Ihren Namen verdanken sie den Felltaschen an der Außenseite ihrer Wangen, die zum Verstauen von Nahrung dienen. Sie haben aber noch mehr erstaunliche Eigenschaften: Offenbar betreiben Taschenratten eine Art Landwirtschaft - das ist unter den Säugetieren sonst bislang nur vom Menschen bekannt.

Die Wissenschaftler Veronika Selden und Francis E. Putz von der University of Florida untersuchten die Tunnelsysteme und das Nahrungsverhalten der südöstlichen Taschenratten (Geomys pinetis) in Florida. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht. Für ihre Untersuchungen blockierten die Forscher einzelne Abschnitte der Tunnel, während andere für die Tiere zugänglich blieben. Besonders interessierten die Forscher dabei die Wurzeln von überirdischen Gräsern und Nesseln, die in die Tunnel hineinwachsen und den Taschenratten teilweise als Nahrung dienen. Während die Wurzeln in den zugänglichen Teilen der Tunnel kurz blieben, waren die blockierten Abschnitte innerhalb kurzer Zeit mit Wurzeln zugewachsen. Die Wachstumsrate der Wurzeln in den isolierten Tunneln nahm dabei jedoch ab.

Aus ihren Beobachtungen schlossen die Forscher, dass die Taschenratten unterirdische Wurzelfarmen betreiben. Das Wachstum der Wurzeln innerhalb ihrer Tunnel fördern die Nager dabei auf zwei Arten: Zum einen werden die Wurzeln durch die Luftzufuhr in den Tunneln und das regelmäßige Abnagen besser mit Nährstoffen versorgt. Zum anderen verstreuen die Taschenratten ihre Ausscheidungen in den Tunneln, wodurch der Boden gedüngt wird. Dieses Verhalten weicht von anderen Arten der Taschenratte ab, die in ihren Tunnelsystemen eigene Kammern für ihren Kot anlegen.

Ernten die Taschenratten mit System oder ist es nur Zufall?

Die Forscher vermuten, dass das Bewirtschaften der Wurzeln der Grund für die großen Tunnelsysteme der Taschenratten sei. Die Tunnel seien vergleichbar mit Anbaureihen von Pflanzen. Die Beobachtungen der Forscher liefern außerdem eine mögliche Erklärung dafür, warum jedes Tier sein eigenes Tunnelsystem erhält und gegen andere verteidigt. Durch das Graben der Tunnel haben die Nagetiere einen sehr hohen Energiebedarf, den sie mit dem Verzehr der Wurzeln zu 21 bis 62 Prozent abdecken können, so die Ergebnisse der Studie.

"Die südöstlichen Taschenratten sind die ersten nicht-menschlichen Säugetierbauern", sagt Putz. "Ackerbau ist bei Ameisen, Käfern und Termiten bekannt, aber nicht bei anderen Säugetieren." Allerdings ist umstritten, ob sich die Aktivitäten der Taschenratten wirklich als Landwirtschaft bezeichnen lassen. Denn anders als Menschen oder andere Lebewesen wie Insekten pflanzen Taschenratten ihre Nahrung nicht selbst an. Laut Evolutionsbiologie Ulrich Mueller von der University of Texas gebe es keine Beweise, dass der Wurzelanbau der Nager mehr als ein zufälliges Nebenprodukt ihrer Aktivitäten sei. "Wir brauchen mehr als das, um etwas als Landwirtschaft zu bezeichnen", sagte er der Fachzeitschrift Science.

Anders als bei nicht-menschlichen Säugetieren sind landwirtschaftliche Tätigkeiten von Insekten bereits länger erforscht und zum Teil deutlich umfangreicher, als was jetzt bei Taschenratten beobachtet wurde. So gibt es beispielsweise Arten von Ameisen, die mithilfe von Pflanzenresten, Samen oder Blättern Pilze züchten und diese über Generationen hinweg weitergeben.

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