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Supervirus:Umstrittene Grippe-Studie veröffentlicht

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Die Aufregung war groß, als Forscher herausfanden, wie sich aus Schweine- und Vogelgrippeviren Superviren herstellen lassen. Politiker und manche Wissenschaftler befürchten, ihre Daten könnten als Bauanleitung für Biowaffen dienen. Nun hat "Nature" die erste Studie veröffentlicht.

Christina Berndt

Monatelang wurde gerungen, jetzt sind die Daten heraus: Schwarz auf Weiß steht nun im Fachblatt Nature (online) geschrieben, wie aus Schweinegrippeviren (H1N1) und Vogelgrippeviren (H5N1) neue Erreger entstehen können, die für Menschen womöglich gefährlicher sind als bisherige Grippeviren.

Es ist jenes Szenario, vor dem Forscher seit nunmehr 15 Jahren unermüdlich warnen. Denn die vor allem in Asien grassierenden Vogelgrippeviren infizieren Menschen nur selten, sind dann aber oft tödlich. Schweinegrippeviren hingegen sind zwar eher ungefährlich, dafür hochgradig ansteckend.

Sollten sich die beiden Erreger zusammentun, könnte im ungünstigen Fall ein todbringendes Supervirus entstehen.

Mit ihren jetzt publizierten Experimenten wollten die Wissenschaftler um Yoshihiro Kawaoka von der University of Wisconsin deshalb nachvollziehen, welche Veränderungen in den Viren besonders gefährlich sind. Sollten sie in der Natur entstehen, könnten Fachleute dies schnell erkennen und die Viren bekämpfen, sagt Kawaoka.

Ähnliches schwebte auch der Arbeitsgruppe um Ron Fouchier von der Universität Rotterdam vor, die ihre Experimente in Kürze im Fachblatt Science präsentieren wird.

Ein todbringendes Supervirus kam bei beiden Gruppen nicht heraus. Die entstehenden Erreger machen Frettchen (mit denen im Labor üblicherweise an Grippe geforscht wird) nicht stärker krank als die natürlichen Viren.

Aber es zeigt sich, dass nur wenige Mutationen nötig sind, damit Vogelgrippeviren einfach über die Luft von Frettchen zu Frettchen gelangen können.

Seit Fouchier dies im September 2011 auf einer Konferenz berichtet hatte, ist die Aufregung in Politik und Wissenschaft groß. Befürchtungen wurden laut, die Daten könnten als Bauanleitung für Biowaffen dienen.

Die meisten Wissenschaftler treten dennoch für die Veröffentlichung der Daten ein, wie sie in der Forschung üblich ist. Nur so könnten andere Arbeitsgruppen daraus lernen, betont der Virologe Stephan Becker von der Universität Marburg. Die jetzt veröffentlichte Arbeit hält er für bedeutungsvoll. "Es war überfällig, dass diese Experimente gemacht wurden", sagt er.

Nun sei Wachsamkeit gefragt. Wie sich die Viren in der Natur veränderten, sollte gut beobachtet werden, um gefährliche Entwicklungen frühzeitig zu entdecken.

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Quelle:
SZ vom 05.05.2012
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