Süddeutsche Zeitung

Umwelt:"Superwürmer" ernähren sich von Styropor

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Die Larven des Großen Schwarzkäfers können das Verpackungsmaterial fressen und verdauen. Steckt darin ein Ansatz zum Recycling von Plastikmüll?

Von Lukas Lorber

Auf den ersten Blick scheint Styropor nicht die schmackhafteste Nahrungsquelle zu sein, geschweige denn die nährstoffreichste. Manche Tiere jedoch verschmähen den weißen Kunststoff nicht. Laut einer Studie von einem Forschungsteam der University of Queensland, die in der Fachzeitschrift Microbial Genomics veröffentlicht wurde, können sich sogenannte "Superwürmer" von Styropor ernähren. Es handelt sich um die Larven des Zophobas morio, auch bekannt unter dem Namen Großer Schwarzkäfer.

Für die Arbeit hat das Forschungsteam um den Mikrobiologen Chris Rinke drei verschiedene Larvengruppen über einen Zeitraum von drei Wochen unterschiedlich gefüttert. Eine Gruppe bekam kein Futter, eine andere Weizenkleie, und die letzte Gruppe bekam Polystyrol, was in seiner aufgeblähten Form unter dem Markennamen Styropor bekannt ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Polystyrol-Larven gut mit ihrem Futter zurechtkommen. "Wir stellten fest, dass die mit Polystyrol gefütterten Würmer nicht nur überlebten, sondern auch marginal zugenommen haben", sagt Rinke. Das zeige, so das Forschungsteam in der Studie, dass die Tiere Energie aus dem Styropor entnehmen konnten, was auch die physische Aktivität der Würmer zeigt. Bei der hungernden Wurmgruppe war zum Beispiel zu beobachten, dass ihre Bewegungen langsamer waren im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen. Ebenfalls veränderte sich die Farbe des Kots der Polystyrol-Gruppe in den ersten 24 bis 48 Stunden von hellbraun zu weiß, was laut den Forschern zeigt, dass die Larven, das Polystyrol begonnen haben zu konsumieren und auch auszuscheiden.

Offenbar ermöglichen Darmmikroben den Styropor-Abbau

Die unterschiedlichen Ernährungsformen hatten ebenfalls eine Auswirkung auf die Metamorphose der Schwarzkäfer-Larven. Die mit Weizenkleie gefütterten Larven entwickelten sich zu rund 93 Prozent zum Käfer, die hungernden Larven nur zu 10 Prozent. Die Styroporgruppe konnte sich hingegen zu 66,7 Prozent zum Schwarzkäfer entwickeln und somit offenbar genügend Energie aus dem Polystyrol für diese Transformation aufbringen, höchstwahrscheinlich mithilfe ihrer Darmmikroben, so Rinke.

Auch Mehlwürmer wurden schon für Studien mit Polystyrol gefüttert. Dabei hat sich gezeigt, dass die Würmer ihre Fähigkeit zum Styroporabbau verloren, als ihnen Antibiotika verabreicht wurden. Aus solchen Beobachtungen schließen die Forscher, dass der Abbau von Styropor mit den Mikroorganismen im Darm zusammenhängt, da sich Antibiotika auf diese auswirken. "Superwürmer sind wie Mini-Recycling-Anlagen, die das Styropor mit ihren Mäulern zerkleinern und es dann an die Bakterien in ihrem Darm verfüttern", sagt Rinke.

Mittels Genanalyse hat das Team Enzyme identifiziert, die den Abbau vom Styropor in den Larven ermöglichen. Diese Enzyme könnten ein weiterer Schritt in der Entwicklung von biologischen Abbaumöglichkeiten von Kunststoffen sein.

Kunststoffe sind prinzipiell schwer abzubauen, und einige, wie Polystyrol, können Jahrhunderte auf der Erde überdauern. Das Recycling von Plastik ist derzeit ausbaufähig, nur rund ein Zehntel des weltweiten Plastikmülls wird recycelt. Biologische Methoden könnten helfen, Plastik in großen Mengen und nachhaltiger in seine Bestandteile aufzubrechen und aus den Abbauprodukten neue Materialien herzustellen. Laut Rinke können andere Mikroben die Abbauprodukte der Larven verwenden, um hochwertige Verbindungen wie Biokunststoffe herzustellen. Das zukünftige Ziel sei es, die Darmbakterien im Labor zu züchten und ihre Abbaufähigkeit weiter zu testen.

Für den biologischen Abbau von Plastik können nicht nur die in den Käferlarven identifizierten Enzyme helfen. Seit Jahren ist man in der Forschung auf der Suche nach Bakterien und Lebewesen, die Kunststoffe abbauen können. Im Jahr 2016 hat etwa eine Forschergruppe vom Kyoto Institute of Technology ein Bakterium gefunden, das PET-Kunststoff zersetzen kann. Auf der anderen Seite können auch Enzyme aus dem Rinderpansen unterschiedliche Plastikformen abbauen. Das hat eine Studie einer österreichischen Forschergruppe aus dem Jahr 2021 gezeigt.

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