Süddeutsche Zeitung

Sprache:Der Baby-Code

Lesezeit: 1 min

Von Astrid Viciano

Es ist, als würde ein Schalter umgelegt. Unbewusst, unfreiwillig, von einer unsichtbaren Hand gesteuert. Wenn Mütter, Väter oder andere Erwachsene mit Babys oder Kleinkindern sprechen, verfallen sie sofort in eine Art Singsang: Hallo, süßer Fratz! Schau mal, wo ist der Kuschelbär? Ja, wo ist er denn? Priiimaaa! Guut gemaaacht! Babysprache eben. Und die Erwachsenen verändern dabei sogar den Klang ihrer Stimme, so berichten es Neurowissenschaftler der Princeton University aktuell im Fachblatt Current Biology.

Unabhängig von der Tonhöhe können Stimmen nämlich einen ganz unterschiedlichen Klang haben. Kühl oder warm, heiser oder glasklar. Und ob sich diese Stimmfärbung im Umgang mit Babys oder Kleinkindern verändert, wollte Elise Piazza von der Princeton University herausfinden. Gemeinsam mit ihren Kollegen nahm die Neurowissenschaftlerin dafür die Gespräche von zwölf englischsprachigen Müttern auf, die mit ihren sieben bis zwölf Monate alten Babys spielten oder ihnen vorlasen. Dann nahm sie zum Vergleich eine Unterhaltung der Frauen mit einem Erwachsenen auf.

Die Unterschiede im Klang der Stimme waren so groß, dass ein Computeralgorithmus sie zuverlässig aufspüren konnte. "Wir haben damit eine neues Merkmal der Babysprache entdeckt", schreibt Piazza. Zumindest bei englischsprachigen Müttern.

Eine universell gültige Form der Kommunikation

Ob das auch für andere Sprachen und Kulturen gilt, wollte die Forscherin in einem zweiten Teil der Studie herausfinden. Zwölf weitere Mütter sprachen in insgesamt neun verschiedenen Sprachen zu ihren Kindern, auf Spanisch etwa, Russisch und auch auf Deutsch. Im Anschluss sprachen sie ebenfalls mit einem Erwachsenen. Das Ergebnis: Der Klang der Stimme veränderte sich in allen Sprachen in ähnlichem Ausmaß.

"Vielleicht sehen wir hier eine universell gültige Form der Kommunikation, die Mütter unbewusst verwenden", sagt Piazza. Diese Form der Kommunikation dient dazu, sich die Aufmerksamkeit ihrer Babys zu sichern und diese in ihrer Entwicklung zu fördern. Dass Babysprache beim Spracherwerb hilft, gilt als erwiesen.

Elisa Piazza und Kollegen möchten ihre Computeralgorithmen künftig darauf ansetzen, Klangveränderungen auch in anderen Formen der zwischenmenschlichen Kommunikation aufzuspüren: Wenn Politiker vor potenziellen Wählern sprechen zum Beispiel. Oder mit ihrem Liebespartner.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3706061
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.