Süddeutsche Zeitung

Polarfüchse:Trainingscamp in Tibet

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Polarfüchse leben in der Arktis. Doch entwickelt haben sie sich vor Millionen Jahren im Himalaja - obwohl Tausende Kilometer die beiden Regionen trennen.

Von Kathrin Zinkant

Ein halber Kontinent trennt die frostigen Berge Tibets vom ewigen Eis des Polarkreises. Trotzdem glauben amerikanische und chinesische Paläontologen vom Natural History Museum in Los Angeles, dass die evolutionäre Wiege des arktischen Polarfuchses nicht etwa in der Nähe des Nordpols liegt, sondern im tibetischen Hochgebirge. Wie die Forscher jetzt in den Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences (online) berichten, haben sie in der dünnen Luft des mehr als vier Kilometer hohen Zandabeckens den Unterkiefer einer bislang unbekannten, etwa vier Millionen Jahre alten Fuchsspezies gefunden, die sich unmittelbar mit dem Polarfuchs in Verbindung bringen lässt.

Vor allem die Zähne legen die enge Verwandtschaft nahe: Demnach besaß der ausgestorbene Urfuchs Kauwerkzeuge, die besonders gut an einen hohen Fleischverzehr angepasst waren - eine Eigenschaft, die gerade in Lebensräumen ohne nennenswerte Vegetation einen gewissen Sinn ergibt. Nach Ansicht der Wissenschaftler um Xiaoming Wang waren die Hundeverwandten in Tibet also schon auf das unwirtliche Leben in extremer Kälte eingestellt, bevor das Eiszeitalter in den letzten 2,6 Millionen Jahren weite Teile der nördlichen Erdkugel immer wieder mit Gletschern zudeckte. Wahrscheinlich verbreiteten sich die Füchse dann über die vereisenden Landstriche in Richtung Norden. Steigende Temperaturen isolierten die ans Eis angepassten Füchse schließlich wieder. Im Norden wurden aus ihnen die heutigen Polarfüchse.

Für diese "Out-of-Tibet"-Hypothese sprechen nicht allein die neuen Fuchsfossilien: Zuvor waren schon Überreste von Wollnashörnern und anderen ausgestorbenen Säugetierspezies der Arktis im Himalaja entdeckt und auf die Zeit vor dem Eiszeitalter datiert worden. Die Wissenschaftler sind mittlerweile überzeugt davon, dass sich in dem Gebirge einst eine umfangreiche Megafauna entfaltete, die das tibetische Hochland als Trainingscamp für harte Lebensbedingungen nutzte. Dabei sollen besonders viele extreme Fleischfresser entstanden sein.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2014
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