Süddeutsche Zeitung

Fernsehen:Klima nach acht

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Eine Petition fordert die ARD auf, statt "Börse vor acht" eine Sendung zum Klimawandel zu zeigen. Doch das wäre der falsche Weg. Ökologie und Finanzen gehören zusammen.

Kommentar von Christoph von Eichhorn

Das Jahr 2019 in fünf Wörtern? "Our house is on fire", twitterte die Klima-Ökonomin Claudia Kemfert kürzlich. Waldbrände im Amazonas und in Australien, eine fast nie dagewesene Eisschmelze in der Arktis, der globale CO₂-Ausstoß auf einem Höchststand: Für das Klima war es - mal wieder - ein Horrorjahr. Deshalb fordert eine Petition derzeit, der Erderwärmung mehr Aufmerksamkeit im Fernsehen zu verschaffen. Die Urheber von #Klimavor8 wollen erreichen, dass anstatt der Sendung "Börse vor acht" Beiträge zum Artensterben oder der Klimakrise laufen.

In der Tat kann man sich bei der Finanzberichterstattung häufig gruseln. Zum Börsengang des saudischen Ölkonzerns Aramco hieß es auf der Webseite der ARD, die Ölbranche habe ein "Imageproblem", der Börsengang habe angesichts der Klima-Diskussionen ein "denkbar schlechtes Timing". So als brauche man nur abzuwarten, bis sich die Lage wieder beruhigt habe. Problem ist aber weder das Image noch der Zeitpunkt, sondern das Geschäftsmodell an sich.

Wissenschaftler sind sicher, dass ein großer Teil der Erdölreserven unter der Erde bleiben muss, soll die Erderwärmung noch unter zwei Grad begrenzt werden. Oder, anderes Beispiel: "Wie wär's mit einem Goldbarren für die Liebste?" fragte die ARD kurz vor Weihnachten - ohne mit einem einzigen Wort auf die Ausbeutung und Umweltverschmutzung einzugehen, die mit dem Abbau des Edelmetalls oft einhergehen.

"Themen wie die Börse hinten anzustellen", wie von der Petition gefordert, wäre jedoch der falsche Weg. Probleme verschwinden nicht, indem man die Augen vor ihnen verschließt. Und das grundlegende Problem besteht darin, dass ein Gros der Finanzströme in Unternehmen fließt, deren Wirtschaftsweise nicht mit den weltweiten Klimazielen zusammenpasst. Nötig wäre mehr Berichterstattung, aber vorrangig zu nachhaltigen Investments. Statt um die Gewinner im Dax müsste es um ethische und soziale Anlagen gehen, oder um "Divestment", die Abkehr von Unternehmen, die fossile Energien verbrennen. Hier besteht echter Bedarf, sogar eine öffentliche Aufgabe. Kritiker wenden ein, dass lediglich sechs Prozent der Deutschen Aktien besitzen. Doch schon wer über ein Girokonto verfügt, ist über die Kreditvergabe der Banken indirekt am Kapitalmarkt beteiligt. Bei welchen Firmen das Geld am Ende landet, geht alle etwas an.

Fünf Minuten vor der Tagesschau sind allerdings viel zu kurz, um ausreichend über die Auswirkungen der Klimakrise, über Artensterben, Polschmelze und Extremwetter zu berichten. Diese Themen verdienen weitaus mehr Zeit und Aufmerksamkeit - nach acht, zur besten Sendezeit.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2019
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