Süddeutsche Zeitung

Mond:Bedrohtes Erbe auf dem Mond

Lesezeit: 3 min

Eines der letzten Gesetze der Trump-Regierung soll die Überreste der Apollo-Missionen auf dem Mond schützen, ist aber kaum mehr als eine symbolische Geste. Dabei wäre es sowohl kulturell als auch wissenschaftlich durchaus sinnvoll, dem Müll auf dem Mond mehr Beachtung zu schenken.

Von Angelika Franz

Im Chaos der letzten Regierungstage Donald Trumps blieb eine seiner historisch wohl tatsächlich positiv zu bewertenden Amtshandlungen weitgehend unbemerkt. Am 31. Dezember 2020 unterzeichnete er ein Gesetz zum Schutz von Artefakten auf dem Mond. Der "One Small Step to Protect Human Heritage in Space Act" verpflichtet die Nasa, nur noch Aufträge an Firmen und Organisationen zu vergeben, die sich zur Bewahrung der Hinterlassenschaften auf dem Erdtrabanten bereit erklären. Trump folgt damit den Richtlinien, die im Jahr 2011 von der Raumfahrtbehörde selbst herausgegeben wurden.

Das Gesetz tritt damit mehr als 51 Jahre nach den ersten Spaziergängen von Menschen auf dem Mond in Kraft. Als die beiden US-amerikanischen Astronauten Buzz Aldrin und Neil Armstrong ihn am 21. Juli 1969 wieder verließen, blieben unter anderem vier Urinbehälter, mehrere Spucktüten, eine Hasselblad-Kamera, lunare Überschuhe sowie eine komplette Mondlandestufe auf dem Himmelskörper zurück. Spätere Missionen hinterließen weiteren Müll auf dem Mond, darunter fünf Geländewagen, vier kleine Rover, Ohrstöpsel, eine Falkenfeder, 100 Zwei-Dollar-Scheine, zwei Golfbälle und einen Wurfspeer.

Weder Regen noch Wind setzen den Materialien zu

Die Erhaltungsbedingungen auf dem Mond sind im Grunde hervorragend. Es gibt weder Sauerstoff, der das Material angreifen, noch Regen oder Wind, der es abschleifen könnte. Einzig die Temperaturschwankungen und die intensive UV-Strahlung, die aufgrund der fehlenden Atmosphäre ungehindert auf die Mondoberfläche einfällt, können Material und Farbpigmenten Probleme bereiten. Vermutlich sind auf der berühmten US-Flagge der Apollo-11-Mission, sofern das Material die Temperaturschwankungen überstanden hat, heute keine Sterne und Streifen mehr zu erkennen. Sie wird komplett weiß ausgeblichen sein - zumal die Qualität von vornherein nicht die beste war. Die Anschaffung des Nylonbanners hatte die Nasa gerade einmal 5,50 Dollar gekostet. Neben Hitze, Kälte und Sonnenstrahlen aber sind unachtsame Astronauten sowie künftige neugierige Touristen oder gar geldgierige Souvenirjäger auf dem Mond die potenziell größten Feinde des Apollo-Erbes.

Zu den schützenswerten Spuren gehören auch die Fußstapfen im Mondstaub, die Neil Armstrong mit "ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit" kommentierte. Für ihren Erhalt kämpft seit 2017 die gemeinnützige Organisation "For all Moonkind" . Die Abdrücke seien in ihrer Bedeutung für die Menschheit durchaus gleichzusetzen mit den ältesten Fußspuren aufrecht gehender Hominini in Laetoli, Tansania, den Höhlenmalereien im französische Lascaux oder den Megalithkreisen von Stonehenge in Großbritannien, betont Gründerin Michelle Hanlon. Und zwar unabhängig von der Nationalität des Stiefelträgers, der sie einst hinterließ: "Wir wollen, dass ein kleines Mädchen in Ghana genau den gleichen Stolz und genau den gleichen Anspruch auf diese Fußstapfen empfindet wie ein kleines Mädchen in Mississippi", erklärte die auf Luft- und Raumfahrtrecht spezialisierte Jura-Professorin anlässlich des 50-jährigen Mondlandungsjubiläums dem Time Magazine.

Die Exkremente der Astronauten sind heute von wissenschaftlichem Interesse

Armstrongs Stiefelspuren mögen kulturelle Bedeutung haben. Wissenschaftlich deutlich relevanter sind allerdings ganz andere Hinterlassenschaften der Astronauten: ihre Exkremente. Denn in ihnen befinden sich neben den verdauten Essensresten auch Mikroben aus dem menschlichen Darm. Ihr Zustand nach mehr als 50 Jahren auf der Oberfläche des Mondes könnte entscheidende Hinweise darauf geben, welchen Einfluss die Mondatmosphäre langfristig auf Lebewesen haben kann.

Tatsächliche Verfügungsgewalt über die Mond-Hinterlassenschaften wird das neue Gesetz kaum haben. Es bleibt ein symbolischer Akt. Denn die Nasa kann den Missionen fremder Nationen keine Vorschriften zum Umgang mit Artefakten machen. Und davon wird es in den kommenden Jahren reichlich geben. Gerade erst ist die chinesische Kapsel Chang'e 5 mit Gesteinsproben vom Mond zurückgekehrt, weitere Missionen sind geplant. Luna 25 soll im kommenden Jahr für Russland im Boguslawsky-Krater in der Südpolregion des Mondes landen. Nach der gescheiterten Mondlandung von Chandrayaan-2 wird Indien mit Chandrayaan-3 einen zweiten Versuch unternehmen, eine Sonde auf dem Mond zu landen. Und auch das in Berlin ansässige deutsche Raumfahrtunternehmen Planetary Transportation Systems GmbH (PTS) plant trotz finanzieller Schwierigkeiten, noch vor 2025 mit dem unbemannten Mondlandegerät Alina den Erdtrabanten zu besuchen.

Ein unter Trump seltenes Zeichen der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg ist der "One Small Step to Protect Human Heritage in Space Act" trotzdem. Denn das Gesetz wurde von dem demokratischen Senator Gary Peters aus Michigan und dem republikanischen Senator Ted Cruz aus Texas gemeinsam initiiert. Und es erwähnt in seiner finalen Fassung nicht nur die bekannten weißen, männlichen Helden wie Aldrin und Armstrong, sondern ehrt auch die "über 400 000 Personen, die auf den Schultern jahrhundertelanger Wissenschaftsentwicklung und Pionieren der Ingenieurskunst aus allen Teilen der Welt zur Entwicklung der Apollo-Missionen beigetragen haben." Dazu zählen, listet der Gesetzestext weiter auf, "auch Frauen afro-amerikanischer Herkunft wie Katherine Johnson, Dorothy Vaughan, Mary Jackson, und Dr. Christine Darden, die entscheidende Beiträge zu den Raumfahrtprogrammen der Nasa geleistet haben."

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