Süddeutsche Zeitung

Meeresbiologie:Schwertwale sind die neuen Papageien

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"Hello", tönt es aus dem Wasser im Freizeitpark Marineland in Antibes, Südfrankreich. Der englische Gruß stammt nicht von einem Menschen, sondern von einem Schwertwal, auch Orca genannt, dem sein Trainer unter der Aufsicht von Wissenschaftlern gleich mehrere Wörter beigebracht hat.

Es handele sich um den ersten wissenschaftlichen Nachweis eines Schwertwals, der Wörter der menschlichen Sprache bilden kann, berichten die Forscher in einer Studie, die am Mittwoch im Fachblatt Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurde.

Forscher José Abramson von der Universidad Comlutense in Madrid und seine Kollegen hätten keine perfekt ausgesprochenen Wörter wie bei einem Papagei erwartet, sagt er. Die Aussprache des 14-jährigen Schwertwal-Weibchens Wikie, das in dem französischen Aquarium lebt, sei aber von "sehr hoher Qualität".

Von "Bye-Bye" bis "One-Two-Three"

Dies sei umso bemerkenswerter, weil sich die Anatomie des Wals deutlich von der des menschlichen Sprechapparats unterscheide. Schwertwal Wikie erlernte von seiner Trainerin noch weitere englische Wörter, darunter den Abschiedsgruß "Bye-Bye", sowie "One-Two-Three" und "Amy", den Namen seiner Trainerin. Dass das Tier die Wörter aussprechen könne, bedeute jedoch nicht, dass es auch ihre Bedeutung kenne, erklärten die Wissenschaftler.

Abramson beschrieb den Moment, in dem Wikie erstmals "sprach", als hoch emotional für Trainer und Forscher. "Für uns (die Wissenschaftler) war es sehr schwierig, überhaupt nichts zu sagen", schilderte Abramson.

Wikies deutlichster Versuch, "Hello" zu artikulieren, ist ein tiefer, kehliger Ton. "Amy" bringt die Walkuh im Flüsterton, aber erstaunlich deutlich hervor. Die größten Probleme scheinen Wikie die Wörter "One-Two-Three" zu bereiten, wie auf den Aufnahmen der Wissenschaftler zu hören ist.

Die Experimente zeigen: Schwertwale sind sehr kluge Tiere

Wikie war für das groß angelegte Experiment ausgewählt worden, weil sie bereits ihre Trainerin nachahmen konnte. Zunächst sollte der Schwertwal Töne seiner Artgenossen imitieren, die ihm unbekannte Dialekte "sprechen". Nach diesen Übungen folgte das Nachahmen menschlicher Wörter. Die Wörter wurden absichtlich nicht mit einem Kontext verknüpft.

Wikie machte nicht von allen Geräuschen perfekte Kopien, einige der Töne klingen zunächst sogar eher wie ein kräftiger Pups. In einigen Fällen gelang Wikie schon beim ersten Anlauf eine gelungene Kopie, manchmal musste sie einige Male üben. Die Ergebnisse bekräftigten die Hypothese, dass die Dialekte innerhalb von Schwertwal-Gruppen nicht genetisch bedingt sind, sondern sozial erlernt werden, also durch Nachahmung der Artgenossen.

Das Experiment zeigte auch, dass Schwertwale sehr kluge Tiere sind. Die Fähigkeit zur Nachahmung ist ein Zeichen von Intelligenz, weil Tiere dadurch von anderen lernen können. "Eines der wichtigsten Dinge, die die Evolution der menschlichen Intelligenz befeuert haben, ist die Fähigkeit zu sozialem Lernen, zu imitieren und eine Kultur zu entwickeln", hob Abramson hervor.

Abgesehen von Papageien, deren Fähigkeit zum Nachahmen der menschlichen Sprache weithin bekannt ist, gibt es auch Berichte über Weißwale, Delphine, Seehunde und einen asiatischen Elefanten, die menschliche Sprache wiedergeben können. Von Orcas war bereits bekannt, dass sie die Delphin-Sprache imitieren können.

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